23. Februar 2022
Unsere Städte müssen in Zukunft voraussichtlich ein Wechselspiel von Starkregen und Trockenphasen meistern. Dazu ist ein durch das Schlagwort „Schwammstädte“ umrissener Paradigmenwechsel beim Umgang mit dem Niederschlagswasser nötig. Auf der IFAT Munich werden Herausforderungen und Hemmschuhe diskutiert sowie Lösungen und Best-Practice-Beispiele präsentiert. Die weltweit größte Fachmesse für Umwelttechnologien findet vom 30. Mai bis 3. Juni 2022 in München statt.
Viele Kommunen weltweit müssen sich den Herausforderungen von temporär zu viel oder zu wenig Niederschlagswasser stellen. Im Zuge des Klimawandels werden aller Voraussicht nach auch Städte und Gemeinden in Deutschland künftig noch häufiger und stärker von Starkregen, Hochwasser, Hitzeperioden und Trockenheit betroffen sein.
Als eine der zielführenden Anpassungsstrategien gilt das Konzept der „Sponge-City“, also der Schwammstadt. Dahinter steht die stadtplanerische Idee, möglichst viel Regenwasser durch urbane Grünzonen, Feuchtgebiete, Wasser- und Überflutungsflächen sowie Multifunktions-Speicherräume aufzunehmen, statt es sofort und direkt in Kanäle und Vorfluter abzuleiten. Im Idealfall gelingt es dadurch, nicht nur die Folgen von Unwettern abzudämpfen, sondern Regenwasser für nachfolgende Trockenzeiten zu speichern. Mit dem kostbaren Nass lassen sich dann Bäume und Grünflächen am Leben erhalten, die zusammen mit begrünten Dächern und Fassaden zur Kühlung und Luftverbesserung der Stadt beitragen.
Nach asiatischen Vorreitern, wie Singapur und diversen südchinesischen Metropolen, gibt es mittlerweile auch etliche europäische Städte, die ambitionierte Schwammstadt-Projekte vorweisen können. Als Pioniere gelten hier Kopenhagen und Wien. In der dänischen Hauptstadt wird bereits seit dem Jahr 2014 eine entsprechende Wasserbewirtschaftung umgesetzt. Dazu gehört zum Beispiel ein Netzwerk aus unterirdischen Entlastungstunneln oder die Bewässerung von Stadtgrün mit Wasser aus zentral gelegenen Kläranlagen.
In der österreichischen Kapitale entsteht auf dem ehemaligen Flugfeld Aspern ein neuer Stadtteil namens Seestadt. Zu den hier realisierten wasserbewussten Maßnahmen zählen unter anderem großzügige, zusammenhängend gestaltete Wurzelräume, die Niederschlagswasser speichern und über lange Zeiten an die Stadtbäume abgeben. Außerdem agieren in die Baumgruben integrierte und mit streusalzresistenten Stauden bepflanzte Sicker-, Filter- und Absetzbecken wie dezentrale Kleinstkläranlagen.
In Deutschland ist Hamburg ein prominentes Beispiel. In der Hansestadt konnten nach Angaben des Wasserversorgungsunternehmens Hamburg Wasser in den letzten Jahren zum Beispiel Neubaugebiete geschaffen werden, in denen das Regenwasser fast komplett abgekoppelt ist von der Kanalisation. Münster, Berlin, München, Ludwigsburg, Leipzig – auch vielen andere Städte haben schon unterschiedlich umfangreiche Schwammstadt-Projekte realisiert. Zahlreiche weitere sind – oft wissenschaftlich begleitet– in Planung und Durchführung. Und das auch in interkommunaler Vernetzung: In der Zukunftsinitiative Klima.Werk arbeiten 16 Städte entlang der Emscher, einem Nebenfluss des Rheins, zusammen mit dem Wasserwirtschaftsverband Emschergenossenschaft gemeinsam an der blau-grünen Transformation.
Damit dieser Wandel in Zukunft in möglichst vielen weiteren Städten und Gemeinden gelingen kann, ist es wichtig, dass die verschiedenen Fachabteilungen der jeweiligen Kommune – neben der Stadtentwässerung vor allem die Raum- und Verkehrsplanung sowie das Grünflächenamt – aufs Engste kooperieren. „Diese Zusammenarbeit beginnt idealerweise bereits in der Phase Null, also vor dem eigentlichen Projektbeginn“, betont Johannes Lohaus, Sprecher der Bundesgeschäftsführung der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA). Auch die möglichen Investoren sollten seiner Einschätzung nach schon zu diesem Zeitpunkt ins Boot geholt werden.
Juristisch sind entsprechende Projekte auf der Grundlage des geltenden Rechts bereits heute möglich. Das Abwasserrecht des Wasserhaushaltsgesetzes und der Landeswassergesetze sowie das Baugesetzbuch erkennen der dezentralen Niederschlagswasserbewirtschaftung Priorität zu. „Der rechtliche Rahmen muss aber noch weiter im Sinne einer wasserbewussten Zukunftsstadt optimiert werden“, so Lohaus. Unter anderem müsse im Wasserhaushaltsgesetz ein klarer gesetzlicher Auftrag zur Entwicklung der dezentralen Niederschlagsbewirtschaftung normiert werden. Ergänzend sollten die Bundesländer wasserrechtlich Möglichkeiten der Entgelt- oder Gebühren(mit)finanzierung des Starkregenrisikomanagements schaffen. Diese Möglichkeit sehen die Landesgesetze nach Einschätzung des DWA-Experten derzeit noch nicht ausreichend vor.
Die wasserwirtschaftliche Anpassung von Städten und Gemeinden an den Klimawandel ist eines der Kernthemen der Weltleitmesse für Wasser, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft IFAT Munich 2022. So werden Partnerinstitutionen der Messe, wie das Bayerische Umweltministerium, die DWA und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), dazu passende Veranstaltungen im Konferenzprogramm der Messe organisieren. Zusätzlich plant der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), bei Messe-Touren gezielt Lösungen zu Starkregen und Überflutungsvorsorge zu präsentieren.
Die IFAT Munich findet vom 30. Mai bis 3. Juni 2022 auf dem Münchener Messegelände statt.