Denn ohne Produktverantwortung keine Kreislaufwirtschaft: Auf diese vermeintlich einfache Formel im Verhältnis von Hersteller, Produkt, Verbraucher und Rückführung in eine Wiederverwertungskette ließe sich das Funktionieren einer „Circular Economy“ (CE) rein theoretisch bringen. Aber die Praxis ist wie so häufig komplizierter. Wo steht Deutschland in diesem Kontext? Welche Hemmnisse gibt es? Welche Best-Practice-Beispiele existieren? Wie muss ein nächster Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft aussehen?
Wer sich über das Thema „Produktverantwortung“ schlau machen will, wird schnell auf der Internetseite des Bundesumweltministeriums fündig. Dort heißt es: „Ein wesentliches Element der deutschen Abfallwirtschaftspolitik ist die Produktverantwortung. Damit sollen bereits bei der Herstellung von Gütern die Voraussetzungen für eine umweltverträgliche Abfallvermeidung und -verwertung geschaffen werden. Ziel ist es, Produkte so zu gestalten, dass
Soweit die Theorie. In der Praxis freilich zeigt sich, dass es gegenwärtig in Deutschland in kaum einer Branche geschlossene Wertschöpfungsketten gibt, auf die diese Definition vollumfänglich zutrifft. In einer aktuellen Vorstudie der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) findet sich der Passus: „Deutschland muss ressourcenentkoppeltes Wachstum basierend auf bestehenden Kompetenzen und strukturellen Stärken zu einem internationalen Wettbewerbsvorteil machen. Im Vergleich zu einigen anderen europäischen Ländern steht die Diskussion dazu in Deutschland noch am Anfang.“ Die Verfasser der Studie räumen allerdings ein, dass es hierzulande eine zunehmende Zahl von Initiativen und Akteuren gibt, die sich mit dem Thema Circular Economy (CE) beschäftigen. Was aber fehlt, sei ein einheitliches, gesamtgesellschaftliches Zielbild für den Übergang dorthin.
Konkrete Fallbeispiele zu studieren, kann hierfür ein hilfreicher Zwischenschritt sein. In der Wasch- und Reinigungsmittelbranche gilt die Mainzer Firma Werner & Mertz mit ihrer Dachmarke „Frosch“ als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Inhaber Reinhard Schneider erhielt dafür im vergangenen Jahr den Deutschen Umweltpreis. Schon 2012 hat er mit Partnern aus Industrie, Handel und Nichtregierungsorganisationen eine Rezyklat-Initiative ins Leben gerufen. Auf die Frage, woran es liege, dass es trotzdem noch immer keine geschlossenen Plastik-Kreisläufe gebe, erwidert Schneider: „Solange noch nicht alle oder viele Hersteller auf die neuen Aufbereitungstechnologien aufspringen, die wir zur Verfügung stellen, ist unser Material noch ein paar Cent pro Flasche teurer als das bisherige. Und das schreckt viele davon ab, da mitzumachen.“
Trotz ähnlich gelagerter Rückschläge, mit denen bei der Umstellung auf nachhaltige Produktionsweisen immer wieder gerechnet werden muss, ist Unternehmer Alexander Hofmann überzeugt davon, dass man mit Umweltschutz „langfristig gleichzeitig globale Verbesserungen und erfolgreiche Unternehmensentwicklung erzielen kann“. Seine mit Verwaltungssitz in Nürnberg ansässige Wiegel Feuerverzinken GmbH & Co. KG ist Pionier und Vorbild beim Verzinken von Stahl. Die Firmengruppe verzichtet auf bleihaltiges Zink und führt Abfallstoffe wie Säuredämpfe in den Produktionskreislauf zurück. Durch konsequentes Prozessoptimieren wurden Stoffeinsatz und Abfallaufkommen stark reduziert. Anstatt Frischsäure zu verwenden, nutzt das Unternehmen Regenerat-Säure aus Abfallverbrennungsanlagen. Die Zinkverbräuche wurden in den letzten 25 Jahren nahezu halbiert. Alle Wiegel-Werke arbeiten abwasserfrei. Der Anteil an gefährlichen Abfällen zur Beseitigung wurde seit 2014 von 70 auf drei Prozent reduziert. Beachtliche Erfolge also, die der Bundesdeutsche Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) e.V. in diesem Jahr mit der Vergabe des B.A.U.M.-Umweltpreises an Alexander Hofmann honoriert hat.
Wer nach weiteren Best-Practice-Beispielen in puncto Produktverantwortung Ausschau hält, tut gut daran, den Blick auch über die Bundesgrenzen hinaus zu richten. So bot das World Circular Economy Forum (WCEF) 2019 in Helsinki ein wahres Füllhorn an Projekten und Konzepten auf, die vom Gastgeberland über Europa bis Nordamerika reichen.
Weitsichtig mutet ein Rücknahmesystem für Online-Bestellungen an, die in Corona-Zeiten ja bekanntlich explosionsartig angewachsen sind. Das finnische Startup RePack hat sich dabei vom Getränke-Pfand inspirieren lassen: Man zahlt beim Onlinekauf einen Zuschlag für die Verpackung. Diese Verpackung kann der Käufer nach dem Erhalt der Ware mit einem beigelegten Rücksendeetikett bekleben und – auf Briefformat gefaltet – wieder in den Briefkasten werfen. Dafür bekommt er dann das Pfand zurück – als Gutschein für den nächsten RePack-Versand; der Briefkasten als neuer Pfandautomat sozusagen. Das vor vier Jahren gegründete System ist derart erfolgreich, dass es gerade Richtung USA und Kanada expandiert.
Andere Branche, anderes Land: Die US-Firma Interface schreibt sich auf die Fahnen, bereits im Jahre 1994 eine Zero-Emission-Strategie ins Leben gerufen zu haben – auf Anregung ihrer Kunden, wie das Unternehmen eigens betont. Heute trägt die Entscheidung reife Früchte: Als erster globaler Hersteller ist der Teppichfliesenproduzent nach eigenen Angaben in der Lage, all seine Bodenbeläge über den gesamten Lebenszyklus hinweg CO2-neutral anbieten zu können. Wie dieser von Firmengründer Ray Anderson selbst als Besteigung des „Mount Sustainability“ beschriebene ganzheitlich ausgerichtete Weg funktioniert hat, erzählt das Unternehmen in einem instruktiv gemachten Leitfaden, der andere zum Nachahmen inspirieren kann. Interface liefert damit auch ein beredtes Zeugnis für die Aussage von Kate Daly, Chefin des US-Thinktanks „Closed Loop Partners“, wonach die USA allein zwei Billionen US-Dollar sparen könnten, wenn es gelänge, schonender mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen.
Ein anderer Thinktank hat seinen Fokus auf zirkuläres Wirtschaften in Städten und Gemeinden gerichtet. Das „Collaborating Centre for Sustainable Consumption and Production“, kurz CSCP, wurde 2005 gemeinsam von der UNEP und vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie gegründet. Der vom CSCP herausgegebene „Circular Economy Guide for Cities“ erweist sich als wahre Fundgrube für urbane Pilotprojekte im CE-Kontext.
So will Paris mit seinem Vorhaben „Les deux rives“ ein komplett auf Kreislaufwirtschaft ausgerichtetes Quartier ins Leben rufen. Amsterdam strebt an, den Verbrauch von Rohmaterialien (Mineralien/Metalle) bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren. Bis zum selben Zeitpunkt plant Sloweniens Hauptstadt Maribor mehr als zwei Drittel seines Hausmülls und 80 Prozent an Verpackungsmüll zu recyceln – als Einstieg in die Transformation zu einer Circular City. Die Liste ließe sich noch um einige Beispiele ergänzen . . .
Doch zurück nach Deutschland und zu der Frage, wie der Übergang zu einer Circular Economy nach Ansicht der acatech-Wissenschaftler gelingen kann? Angelehnt an die erprobten Strukturen der deutschen Industriecluster schlagen die Autoren der Studie vor, sogenannte „Circular Clusters“ zu initiieren sowie eine unabhängige operative Einheit zu etablieren, die das Thema ressort- und politikübergreifend vorantreibt.
Die Mitte Juli online veranstaltete „IFAT impact Panel Discussion“ arbeitete einen anderen wichtigen Aspekt in diesem Zusammenhang heraus. Klarer Konsens bestand in der sechsköpfigen Diskussionsrunde aus Politik und Wirtschaft dahingehend, dass zum Gelingen des Green Deals wie auch des Aktionsplans Circular Economy starke, intelligente und langfristig verlässliche gesetzliche Vorgaben dringend erforderlich sind. Das wiederum gilt natürlich nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa und – mit regionalen Abweichungen – sehr wahrscheinlich für den gesamten Globus.