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Wasserstoff in der kommunalen Kreislaufwirtschaft

Die aktuellen Wasserstoff Entwicklungen mit neuen Verfahren und Konzepten zeigen: Wasserstoff kann ein sinnvoller Partner der kommunalen Kreislauf- und Wasserwirtschaft sein. Dieser Artikel gewährt einen Überblick über die Bedeutung des Wasserstoffs in Deutschland sowie einen Status-quo innerhalb der Kommunen.

Bedeutung von Wasserstoff für Deutschland und die Energiewende

Wasserstoff (H₂) kommt eine zentrale Rolle bei der in Deutschland angestrebten Energiewende zu. Dabei richtet sich der Wasserstoffhochlauf nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zunächst an die Wirtschaft – zur Transformation der Industrie. Was aber aus Sicht des Ministeriums eine Wasserstoffherstellung und -nutzung in Kommunen nicht ausschließt. So lässt sich Wasserstoff aus erneuerbaren Energien, beispielsweise elektrischer Strom aus Solaranlagen, Wind- oder Wasserkraft über die Wasserelektrolyse oder aus Biogas erzeugen und einsetzen. Als weitere förderungswürdige Möglichkeiten mit kommunalem Bezug nennt die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung unter anderem die Herstellung von Wasserstoff aus Abfällen oder Abwässern sowie den Betrieb von städtischen Fahrzeugen mit dem energiereichen Gas.

IFAT Munich 2024 mit Spotlight Area Wasserstoff

Die Internationale Umwelttechnologiemesse IFAT Munich, die vom 13. bis 17. Mai 2024 auf dem Münchener Messegelände stattfindet, zeichnet die Entwicklungen der vergleichsweise neuen Partnerschaft zwischen kommunaler Kreislaufwirtschaft und Wasserstoffwirtschaft nach. Neben rund 100 Ausstellern, die Lösungen im Bereich Wasserstoff anbieten, widmet die Schau dem Themenkreis in Halle A4 unter dem Namen „Spotlight Area - Wasserstoff in der Kreislaufwirtschaft“ eine 500 m² große Sonderfläche, auf der bis zu 10 Aussteller ihre Projekte und Lösungen präsentieren werden . In das Areal integriert ist eine Bühne, die Hydrogen Stage, auf der in rund 30 Vorträgen und Diskussionsrunden weitere Informationen geboten werden. Wie kann Wasserstoff in einer Biogasanlage, bei der Müllverbrennung oder in einer Kläranlage hergestellt werden? Welche Anforderungen kommen auf Kommunen bei der Herstellung von Wasserstoff zu? Wie sehen Bildungs- und Qualifizierungsangebote für Fachkräfte aus? Diese und viele weitere spannende Fragen rund um die Produktion und Nutzung von Wasserstoff werden wir auf der Hydrogen Stage in den Fokus rücken.

Hauptpartner der Spotlight Area und ideeller Träger der IFAT Munich ist der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW e.V.). Dessen Vorstandvorsitzender Prof. Dr. Gerald Linke unterstreicht: „Wasserstoff bietet den Betrieben der Kreislaufwirtschaft vielversprechende Möglichkeiten. Als Produkt vieler lokaler Prozesse – wie zum Beispiel der Abfallpyrolyse oder der Biomassehydrolyse – kann er in das örtliche Verteilnetz eingespeist, unter anderem als Kraftstoff für kommunale Fahrzeuge genutzt oder als Produktionsmittel für die ans Netz angeschlossenen Industrien angeboten werden.“ Wasserstoff sei ein wichtiger Baustein, um Energiesektoren zu koppeln – insbesondere dort, wo Wasserstoff elektrolytisch aus lokalem Strom erzeugt wird und so das Energiesystem resilienter gestaltet. Der DVGW hat nach eigenen Angaben die Regelsetzungsarbeiten für Wasserstoff in der Netzinfrastruktur abgeschlossen und darüber hinaus Umstellungshilfen für die Branche erarbeitet. So lassen sich Wasserstoffnetze auf der Grundlage des Gasnetzgebiets-Transformationsplans planen, während die Datenbank VerifHy verlässliche Informationen zur Wasserstofftauglichkeit von Komponenten liefert.

Biogas zu Wasserstoff aufbereiten

Zu den Ausstellern der Spotlight Area gehört die BtX energy GmbH. Das Unternehmen aus Hof/Bayern bietet ein Verfahren an, das Biogas durch Dampfreformierung zu Wasserstoff aufbereitet. In einem vom BMWK geförderten Verbundforschungsprojekt läuft dazu seit Anfang 2023 in Krefeld eine Pilotanlage, die an eine landwirtschaftliche Biogasanlage angeschlossen ist. „Ein Einsatz auch bei Biogasanlagen, die kommunale organische Abfälle verwerten, ist technisch problemlos möglich und wirtschaftlich interessant“, sagt Dr.-Ing. Andy Gradel. Hierzu führt der BtX-Geschäftsführer aktuell Gespräche mit Anlagenbetreibern in diversen Städten – beispielsweise mit dem Unternehmen BeB Bio Energie Bamberg. Deren Biogasanlage in Pettstadt verwertet den vergärbaren Anteil des in Bamberg und Umgebung gesammelten Bioabfalls. Auf dieser Basis könnten zukünftig jährlich rund 150 Tonnen erneuerbarer Wasserstoff erzeugt werden, mit denen sich unter anderem Linienbusse, gewerbliche LKW oder Abfallsammelfahrzeugen klimaneutral antreiben ließen.

Biogene Ersatzbrennstoffe als Ausgangsmaterial

Ein Ausgangsstoff für die klimaneutrale Herstellung von Wasserstoff können biogene Ersatzbrennstoffe sein. Diese fallen nicht nur in der Industrie, hier zum Beispiel als Faserfangstoffe aus der Papierherstellung, sondern auch in Kommunen – Stichwort Klärschlamm – in großen Mengen an. Hierzu läuft seit Oktober 2022 das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt Pure_Bio_H₂. Als Forschungspartner agieren dabei das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST, das Fraunhofer-Institut für Umwelt- Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT sowie das Entsorgungsunternehmen Veolia Umweltservice Süd GmbH & Co. KG. Das Vorhaben zielt darauf ab, in einem ersten Schritt aus den biogenen Reststoffen mit Hilfe eines thermo-chemischen Konversionsprozesses ein wasserstoffreiches Synthesegas zu erzeugen. Anschließend ist geplant, hochreinen Wasserstoff mittels metallisch beschichteter Membranen abzutrennen.

Klärgas wird hochreiner Wasserstoff

Weiterhin ist die Herstellung von H₂ eine zusätzliche Möglichkeit, die Klärwerke von Städten und Gemeinden in Kraftwerke zu verwandeln. Ausgangspunkt ist das in vielen Kläranlagen produzierte Klärgas. Eine klassische Lösung, dessen Energieinhalt zu nutzen, ist die Verstromung mit Wärmenutzung per Blockheizkraftwerk. Ein zweiter Weg ist die Veredlung des Klärgases zu Biomethan. Zu diesen tritt nun als dritte Option die Wasserstoffproduktion hinzu. Eine der dabei nutzbaren Technologien ist ein Steam-Reformer des internationalen Energietechnologieunternehmens und IFAT Munich-Ausstellers Metacon AB, der aus Klärgas hochreinen Wasserstoff erzeugt. Solch eine Anlage wird ab diesem Sommer auf der kommunalen Kläranlage des Abwasserzweckverbandes Kempten (AVKE) installiert werden. Der dort integrierte Dampfreformer soll dann rund um die Uhr aus dem vorhandenen Klärgas täglich bis zu 110 kg Wasserstoff mit einer Reinheit von 99,999 % erzeugen. Der für den Reformer und die peripheren Anlagenkomponenten notwendige Eigenstrom wird direkt vor Ort mittels Klärgasverstromung bereitgestellt. Der produzierte Wasserstoff kann als Basisrohstoff, als CO2-neutraler Kraftstoff für den eigenen Fuhrpark des AVKE sowie für den regionalen ÖPNV Verwendung finden. „Mit der erfolgreichen Projektrealisierung werden wir einen wichtigen Beitrag zur dezentralen Produktion von nachhaltigem Wasserstoff leisten und einen Baustein für eine unabhängige Energieerzeugung und fossilfreie Kraftstoffproduktion in Europa und darüber hinaus bereitstellen", ist sich Dr. Christian Hofmann, Chief Business Officer Reforming bei Metacon, sicher. Schließlich sei das Potenzial enorm: Allein in Deutschland wird auf über 1.200 Kläranlagen Klärgas produziert (Stand 2019).

Faul- und Biogas mit Wasserstoff veredeln

Neben dem DVGW fungiert das vom Freistaat Bayern als Strategie- und Koordinationsstelle initiierte und finanzierte Zentrum Wasserstoff.Bayern (H2.B) als Partner der Messe München bei der Organisation der Spotlight Area Wasserstoff. Dessen Leiter für Technologie und Innovation, Stefan Dürr, erläutert: „Zu den aussichtreichen Optionen der Wasserstoffwirtschaft zählt auch die Veredlung von kohlendioxidreichen Gasen. Hier besteht eine Schnittstelle zur kommunalen Abwasserreinigung.“ Nach seinen Worten enthalten Faul- und Biogas stets „Rest-CO₂“, das in Kombination mit erneuerbarem Wasserstoff von Mikroorganismen zu Methan umgesetzt werden kann. Dies lässt sich anschließend ins Gasnetz einspeisen. Dürr: „In diesem Bereich sind auch bayerische Unternehmen aktiv, wie zum Beispiel die in der Spotlight Area vertretene Electrochaea GmbH aus Planegg.“ Erprobt wurde deren Verfahren unter anderem in Roslev/Dänemark und Solothurn/Schweiz.

Eine weitere mögliche Verbindung zwischen Wasserstofferzeugung und Abwasserreinigung: Quasi als Nebenprodukt der Wasserelektrolyse fällt Sauerstoff an, der in der aeroben Reinigungsstufe von Kläranlagen eingesetzt werden kann. „Diese Kopplung ist jedoch nur bei möglichst kontinuierlicher H₂-Erzeugung ökonomisch sinnvoll“, merkt Stefan Dürr an.

Abfallsammelfahrzeuge emissionsfrei antreiben

Zu den „kommunalen Wasserstoff-Nutzern“ zählen Abfallsammelfahrzeuge. Von den aktuell rund 12.000 bundesweit aktiven Müllwagen werden 150 durch Brennstoffzellen angetrieben, zum Beispiel in Berlin, Duisburg und Freiburg im Breisgau. „Damit ist Deutschland internationaler Vorreiter“, sagt Burkard Oppmann, Geschäftsführer des IFAT Munich-Ausstellers FAUN Umwelttechnik. Der dabei eingesetzte Wasserstoff stammt nach seinen Angaben überwiegend aus erneuerbaren Energiequellen, zum Teil auch aus Abfällen. „Was die in unseren Abfallsammelfahrzeugen eingesetzte H₂-Technologie angeht, befinden wir uns in einem stetigen Verbesserungsprozess. Wir bewegen uns hier auf einem extrem spannenden Feld, vergleichbar der Situation bei der Entwicklung von Dieselmotoren vor 100 Jahren“, beschreibt Oppmann. Für eine noch breitere Marktdurchdringung fehlt nach seinen Worten jedoch derzeit noch eine geeignete Förderkulisse.

Wasserstofffähige Brenner für Müllheizkraftwerke

Auch in Müllheizkraftwerken (MHKW) könnte H₂ in Zukunft eine zunehmend wichtige Rolle spielen. So gingen im September 2023 im Frankfurter MHKW die ersten wasserstofffähigen Brenner in Betrieb. Bislang konnten diese „Anzündhilfen“ nur mit Heizöl betrieben werden. Künftig ist dies, neben der Verwendung von Erdgas, mit Wasserstoff möglich. Dirk Remmert, Geschäftsführer der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) und der MHKW GmbH, sagt: „Wir wissen aus Studien, dass die Müllverbrennungsanlage in der Nordweststadt alle Voraussetzungen besitzt, auch Wasserstofferzeuger zu sein. Noch ist nicht ganz klar, welche Rolle dieser Kraftstoff künftig spielen kann, aber wir wollen uns in dieser, für die Zukunft der Frankfurter Energieerzeugung zentralen Anlage auch für eine Wasserstoffnutzung bereit machen.“