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Nachhaltige Kreislaufwirtschaft ortet Potenzial für Textil- und Baubranche

Die Umwelttechnologie ist ein Musterbeispiel für eine Querschnittstechnologie: Es gibt heute keine Branche, die sich nicht mit Fragen zu Klima- und Umweltschutz sowie nachhaltiger Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung beschäftigt Dafür werden zeitgemäße organisatorische und technische Lösungen gesucht, die den Anforderungen nachhaltiger Industrien entsprechen. Dem entsprechend steht die IFAT Munich, die größte Umwelttechnologie-Messe der Welt, mit anderen Fachmessen zum Thema nachhaltige Kreislaufwirtschaft in verschiedenen Branchen im Dialog. Mit den Cross-Industry Sessions stärkt die Messe München hier den Austausch. Das neue Informations- und Diskussionsformat fand bislang im Juni 2023 auf der OutDoor by ISPO sowie im Juli bei der digitalBAU conference & networking statt.

Noch keine richtige Kreislaufwirtschaft in der Sport- und Outdoor-Branche

Auf der Fachmesse der internationalen Outdoor-Branche ging es dabei um den Status von Recyclingstrategien in der Sportbekleidungsindustrie. Dabei machte Dr.-Ing. Julia Hobohm, Geschäftsführerin bei Gemeinsames Rücknahmesystem Servicegesellschaft mbH, gleich zu Beginn deutlich, dass es noch keine nachhaltige Kreislaufwirtschaft für die Sport- und Outdoor-Textilien-Branche gibt – schon gar nicht in einem industriellen Maßstab. „Ein Grund dafür ist die bei den Kleidungsstücken eingesetzte Materialvielfalt, die ein Recycling extrem aufwändig macht“, berichtete Hobohm dem Münchener Auditorium. „Um hier einen Wandel, in Richtung nachhaltige Industrie herbeizuführen, muss unter dem Stichwort ‚Design für Recycling‘ schon bei der Produktentwicklung an das Ende der Nutzung gedacht werden“, unterstrich Kim Scholze, Sales Officer beim Funktionstextilien-Hersteller Sympatex.

Monomaterial-Einsatz fördert Recyclingfähigkeit

Aus Sympatex-Sicht ist der Monomaterial-Einsatz ein entscheidender Schritt in Richtung nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Das bedeutet, dass die Polyester-Membran mit recycelten Polyester-Ober- und Futterstoffen kombiniert wird. Dadurch entstehen sortenreine Laminate, die sich am Ende ihres Produktlebens gut rezyklieren lassen. Sympatex plant, bis zum Jahr 2030 den textilen Kreislauf für Funktionsbekleidung flächendeckend zu schließen und zu 100 Prozent zirkulär zu produzieren.

Für den Aufbau einer zukünftig branchenweiten zirkulären Infrastruktur müssen laut Kim Scholze gemeinsam mit den entsprechenden Partnern weitere Hürden genommen werden, Dazu gehört das Entwickeln von tragfähigen Lösungen beim Sammeln und Sortieren der Alttextilien. Ein nach ihrer Einschätzung vielversprechendes Non-Profit-Projekt, das den Übergang der Textilindustrie von der linearen zur zirkulären Produktion beschleunigen soll, ist Accelerating Circularity Europe.

Herstellerverantwortung als mögliche Triebfeder für eine nachhaltige Textilindustrie

„Klar ist aber auch: Gutes Recycling kostet immer Geld“, betonte Julia Hobohm bei der Session auf der OutDoor by ISPO und fuhr fort: „Wir brauchen auch in der Textilwirtschaft eine Herstellerverantwortung. Damit würden die Hersteller die finanzielle Verantwortung für die Kreislaufführung ihrer Produkte übernehmen. Je schlechter die Qualität des Produktes, desto teurer das Recycling. Als organisatorische Lösung wären Rücknahmesysteme wie bei Verpackungen oder Batterien denkbar.“

Zirkularität als Schlüssel für nachhaltige Kreislaufwirtschaft in der Baubranche

Die Cross-Industry Session bei der auf Software und Digitalisierung im Bausektor fokussierten Veranstaltung digitalBAU conference & networking beschäftigt sich mit dem Thema Kreislaufwirtschaft in der Baubranche. Was speziell die mineralischen Bauabfälle angeht, scheint die realisierte Zirkularität auf den ersten Blick hoch zu sein: Die Branche vermeldet hier seit Jahren Verwertungsquoten von über 90 Prozent. Die Bewertung dieser Leistung hängt laut Bruno Rudnik allerdings stark von der Betrachtungsebene ab. Der Geschäftsführer des auf nachhaltige Technologien spezialisierten Münchner Beratungsunternehmens SusTech Consult verdeutlichte bei der Session: „Unser Ziel muss es ja sein, die Ressourcen mit einer gleichwertigen Nutzung so weit wie möglich im Kreislauf zu führen. Der heute verwertete Bauschutt landet jedoch zum allergrößten Teil in ‚minderwertigeren‘ Anwendungen, wie zum Beispiel im Straßenbau. Die Substitutionsquote durch Sekundär- und Recyclingbaustoffe – und damit die Messgröße für Zirkularität – beträgt im Bausektor nur etwa 10 bis 15 Prozent.“ Nach Auffassung des Experten sind die wesentlichen Gründe für die niedrigen Substitutionsquoten weniger technischer Natur. Stattdessen liegen sie eher in mangelnden Kenntnissen der Anwender sowie unzureichenden gesetzlichen Vorgaben, wie beispielsweise Zertifizierungen und Normungen. Einen großen Hebel hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft in der Baubranche sieht Rudnik im zirkulären Design, das dazu beiträgt, dass Baumaterialien gar nicht erst zu Abfällen werden.

Kleine Lösungen mit großer Wirkung auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft

Ein Unternehmen, das dazu beiträgt, das Abfallmanagement auf Baustellen einfacher zu organisieren, ist das Hamburger Start-up Wastebox.biz. Dazu vernetzt eine Online-Plattform über eine App Bauunternehmen mit kooperierenden Entsorgungsbetrieben. Laut Felix Heiden, dem Geschäftsführer von Wastebox, bemüht sich seine Firma derzeit auch darum, die Getrenntsammlungs- und Recyclingquote auf Baustellen zu erhöhen. „Hier können vermeintlich kleine Lösungen einen bedeutenden Impact haben. Das beginnt schon bei Maßnahmen, wie statt nur einem Container für Baustellenmischabfälle drei Container zur Trennung von unterschiedlichen Abfallarten aufzustellen“, erläuterte Heiden auf dem Münchner Forum. Außerdem strebe Wastebox danach, sein Netzwerk über Containerdienste hinaus auf Sortier-, Aufbereitungs- und Recyclinganlagen auszuweiten.

Treibende Kräfte für eine intensivierte Kreislaufwirtschaft in der Baubranche

Auch für Manuel Götzendörfer sind Kooperationen ein Schlüsselfaktor für mehr Nachhaltigkeit im Bausektor. „Kreislaufwirtschaft wird nicht gelingen, wenn jedes Unternehmen versucht, seine eigene Lösung zu entwickeln“, unterstrich der Managing Director von BEFIVE by UnternehmerTUM. BEFIVE fördert Innovation und Digitalisierung in der Bau-, Immobilien- und Infrastrukturbranche. Zu den treibenden Kräften für eine zukünftig intensivierte Kreislaufwirtschaft in der Baubranche zählt Götzendörfer den Druck des Marktes: „Gerade die Hersteller von Baumaterialien und Baukomponenten müssen sich immer stärker darum kümmern, wo sie ihre Materialien herbekommen. Um Planungssicherheit zu bekommen, wollen sie ihre Kreisläufe schließen.“ Nach seinen Beobachtungen bringen auch erste Projektentwickler das Thema Zirkularität voran, indem sie das Cradle-to-Cradle-Prinzip auf komplette, großangelegte Bauvorhaben übertragen. Als eines der Leuchtturmprojekte nannte er hier das Holzhybrid-Bürogebäude „The Cradle“ in Düsseldorf. Das demnächst fertiggestellte Bauwerk hat den Anspruch, dass fast alle verbauten Elemente recycelt werden können. Um es zu einem optimal nutzbaren Rohstofflager zu machen, verzeichnet zudem ein digitaler „Material-Passport“ sämtliche Materialien und Bauteile wie Holzbalken, Schrauben oder Türen inklusive der Informationen zu Eigenschaften, Einsatzort und Haltbarkeit.

IFAT Munich: Wo nachhaltige Kreislaufwirtschaft auf Bioökonomie trifft

Einen expliziten Bogen zur IFAT Munich 2024 schlug Bruno Rudnik, der auf der Umwelttechnologie-Messe seit einigen Jahren die „Startup Area“ fachlich betreut. Nach seinen Worten ist geplant, dort im Rahmen der „Green Stage“ eine Themensession „Circular Economy & Bioeconomy“ zu organisieren. Die Bioökonomie ist ein Konzept, das statt auf fossile Rohstoffe auf biologische Ressourcen und Verfahren setzt und sich an natürlichen Stoffkreisläufen orientiert. „Hier besteht eine große Schnittmenge mit einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft – besonders hinsichtlich verbesserter Ressourceneffizienz, niedrigerem CO2-Fußabdruck und der Verwertung von Abfallströmen“, erläuterte Rudnik und fuhr fort: „Konkret sehen wir bei der Startup Area der IFAT Munich schon seit einiger Zeit immer mehr junge Unternehmen, die mit innovativen Technologien neue Lösungen für eine ‚Circular Bioeconomy‘ anbieten. Das umfasst zum Beispiel biotechnologische Prozesse zur Abfallverwertung, aber auch zur Abwasserbehandlung. Ebenso gibt es aktuell eine dynamische Startup-Landschaft bei der Karbonisierung von Biomasse, beispielsweise durch Pyrolyse.“ Auch im Bausektor könne die Bioökonomie eine wichtige Rolle spielen – unter anderem über die Nutzung von Holz als Ersatz für Stahl und Beton, die Verwendung von Dämmstoffen auf Naturfaser-Basis oder den Einsatz bio-basierter Stoffe in der Bauchemie.