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Abwasser der Saftindustrie als Rohstoffquelle

Eine Pilotanlage bei einem griechischen Fruchtsafthersteller zeigt, dass eine intelligente Abwasseraufbereitung heute nicht nur die Ressource Wasser schont, sondern auch werthaltige Abwasserinhaltsstoffe zurückgewinnt.

Das in den Industrieunternehmen der Welt anfallende Abwasser ist nicht nur selbst eine wiederverwendbare Ressource. Vielfach enthält es auch werthaltige Komponenten, die extrahiert, gereinigt und vermarktet werden können. Diesen Ansatz verfolgt das Mitte 2020 gestartete Projekt ULTIMATE. Die Europäische Union fördert das internationale Vorhaben vier Jahre lang im Rahmen ihres Horizon 2020 Forschungs- und Entwicklungsprogramms. Hinter ULTIMATE stehen 27 Partner aus zwölf Ländern: Wasserunternehmen, industrielle Interessengruppen, spezialisierte Mittelständler, Forschungsinstitute, Technologieplattformen, Kommunen und regionalen Behörden. Geleitet und koordiniert wird die Initiative vom niederländischen Forschungsinstitut für Wasserkreisläufe KWR.

Problematischer Wasserhaushalt

Zu den von dem Konsortium in den Fokus genommenen Industriesektoren zählt die Getränkeindustrie. Beispielsweise beschäftigt sich eines von insgesamt neun großanlegten Demonstrationsvorhaben mit dem teils problematischen Wasser- und Abwasserhaushalt des Saftherstellers Alberta im griechischen Nafplio. So setzt dessen hoher Grundwasserverbrauch die örtlichen Vorkommen unter Druck, während die vom Betrieb ausgestoßenen, saisonal hohen Schmutzwasserfrachten die örtliche biologische Kläranlage phasenweise überlasten können.

Abwasser reich an wertvollen Polyphenolen

„Zu unseren Zielen gehört es, die Abwasserströme des Unternehmens so zu behandeln, dass sie wiederverwendet werden können – für Sekundärnutzungen innerhalb der Fabrik oder zur Bewässerung der nahegelegenen Obstplantagen. Zumindest muss die organische Last so weit reduziert werden, dass die bestehende Kläranlage damit fertig wird“, sagt Dimitri Iossifidis, der Gründer des ULTIMATE-Partnerunternehmens Greener than Green Technologies SA. Allerdings geht der Ansatz der Innovationsschmiede aus Athen/Griechenland darüber weit hinaus. „Im Abwasser der Saftherstellung finden sich nützliche und werthaltige Stoffe, allen voran Polyphenole, die zum Beispiel für pharmazeutische Anwendungen zurückgewonnen werden können“, beschreibt Iossifidis. Laut dem Bundeszentrum für Ernährung haben Polyphenole Eigenschaften, die der Entstehung von Tumoren entgegenwirken können. „Laborexperimente haben gezeigt, dass Polyphenole antioxidativ, entzündungshemmend und blutdruckregulierend wirken und das Immunsystem beeinflussen können“, berichtet das deutsche Kompetenz- und Kommunikationszentrum für Ernährungsfragen.

Greener than Green erprobt bei dem Alberta-Standort auf dem östlichen Peleponnes eine eigenentwickelte Pilotanlage, die zum einen mittels sogenannter subkritischer Wasserextraktion diese Antioxidantien isoliert und zum anderen mit einem modernen Oxidationsprozess sowie einem kleinen Bioreaktor das Restwasser aufbereitet.

„Aktuell können wir aus einem Kubikmeter Abwasser rund 130 g Polyphenol mit einem Marktwert von über 5.000 Euro zurückgewinnen“, schildert der CEO von Greener than Green Technologies. Weitere wirtschaftliche Vorteile für die Betreiber ergeben sich nach seinen Worten durch den reduzierten Frischwasserbedarf und Einsparungen bei den Abwassergebühren.

Mobile Anlage mit vielfältigen Betreiberkonzepten

Die in Containern untergebrachte Anlage ist transportabel und laut Iossifidis innerhalb weniger Stunden aufgebaut. Das ermöglicht unterschiedliche Geschäftsmodelle. So können kleinere Betriebe, wie beispielsweise Winzer, das System als Stand-alone-Kläranlage betreiben, während es bei größeren Unternehmen in bereits existierende Abwasserbehandlungseinrichtungen integriert werden kann. Für Firmen mit nur saisonalem Bedarf sind Miet- und Leasing-Lösungen möglich. Auf Wunsch übernimmt Greener than Green die Vermarktung der zurückgewonnenen Stoffe.

Griechenland und Israel als nächste Zielmärkte

„Wir werden Greener than Green dabei unterstützen, das System in wichtigen Obstproduktionsländern wie Griechenland und Israel weiter zu erproben und zu vermarkten“, kündigt Gerard van den Berg, der Koordinator des ULTIMATE-Projekts, an. Diese beiden Märkte haben einen starken Olivenöl- und Fruchtsaftsektor – und beide produzieren Abwässer, die reich an Ressourcen sind, die von den Lebensmittelproduzenten weiterverkauft werden könnten. „Je mehr von diesen Rohstoffen entnommen wird, desto größer ist der wirtschaftliche Anreiz, Wasser zu reinigen, was wiederum die Widerstandsfähigkeit vieler fruchtproduzierender Länder gegen Hitzewellen und Dürreperioden erhöht“, unterstreicht van den Berg.

Der intelligente Umgang mit Wasser und Abwasser in der Industrie gehört auch zu den Schlüsselthemen der IFAT 2022. Die diesjährige Neuauflage der Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft wird erneut die entsprechenden internationalen Technologieanbieter mit Anwendern aus allen Branchen zusammenbringen. Außerdem ist das Thema „Zukunft Wasser – Zugang und Qualität“ einer der Eckpfeiler im umfangreichen Rahmenprogramm der Schau.