Die Bereitstellung von Reinstwasser ist für die Herstellung von grünem Wasserstoff von grundlegender Bedeutung. Im Interview führen mit Dr.-Ing. Gerd Sagawe, Edwin Locker und Dr. Daniel Frank drei Experten der deutschen Wassertechnologiebranche in einige der zentralen Zusammenhänge ein.
Gerd Sagawe: Bevor Wasser dem Elektrolyseur zur Wasserstofferzeugung zugeführt werden kann, muss es nach dem Stand der Technik zu Reinstwasser aufbereitet werden. Dabei müssen beispielsweise gelöste Stoffe, organisches Material, Feinpartikel oder Kohlendioxid weitestgehend entfernt werden. Wenn Wasser mit ungenügender Reinheit verwendet wird, kann der Elektrolyseur verschmutzt oder beschädigt und damit auch die Effizienz des Systems beeinträchtigt werden.
Edwin Locker: Je nach Art der verwendeten Wasserressource und den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Wasserstoffproduktionsanlage kommen unterschiedliche Kombinationen klassischer Prozesswasseraufbereitungsverfahren zum Einsatz. Neben der Umkehrosmose können dies zum Beispiel Filtration, Enthärtung, Membranentgasung, Elektrodeionisaton, UV-Bestrahlung und Mischbettvollentsalzung sein.
Edwin Locker: Kunden für die Wasseraufbereitungsanlagen sind zum einen die Hersteller der Elektrolyseure und zum anderen Systemintegrateure, das heißt Unternehmen, die alle Komponenten – also auch die Elektrolyseure – zukaufen und daraus ein Gesamtpaket für ihre Kunden formen.
Gerd Sagawe: Auf der Anbieterseite hat die Wasserstofferzeugung generell das Potenzial, praktisch alle Akteure der Industriewasserwirtschaft zusammenzubringen – also neben Planern und Anlagenbauern auch Produzenten von Mess- und Automatisierungstechnik, Pumpen, Rohrleitungen, Armaturen sowie weitere Komponentenhersteller. Hinzu kommen Forschungseinrichtungen und Verbände. Im Idealfall können die Unternehmen hier neue, internationale Geschäfts- und Tätigkeitsfelder erschließen. Deshalb engagieren wir uns gemeinsam bei German Water Partnership im Arbeitskreis Industriewasserwirtschaft zum Thema Wasser für die Wasserstoffproduktion. In nahezu jedem Land, in dem deutsche Unternehmen aktiv sind, wird das Thema Wasserstoff angesprochen, besonders im Nahen Osten, auf dem afrikanischen Kontinent und in Asien.
Edwin Locker: Was den Umsatz angeht, spielt die Wasserstoffproduktion als Anwendungsfeld unserer Technologien zur Reinstwassererzeugung im Vergleich zur Pharma- oder Halbleiterindustrie noch eine untergeordnete Rolle. Die Umsatzerwartungen sind allerdings deutlich höher. Beispielsweise fertigen wir gerade eine Anlage für einen namhaften deutschen Automobilzulieferer, der jetzt auch Elektrolyseure herstellt und diese mit „unserem“ Reinstwasser testen will. Weiterhin erreichen uns sowohl zahlreiche Anfragen für große, zentrale Elektrolyseure im Bereich von mehreren hundert Megawatt, als auch für kleinere, dezentrale Anlagen, zum Beispiel in Verbindung mit der Offshore-Windenergienutzung. Die Unternehmen sind gerade dabei, für sich das jeweilige Optimum zu finden, so dass eine konkrete Marktentwicklung im Moment schwer vorhersehbar ist.
Edwin Locker: Das Wasser für die Elektrolyse stammt aktuell aus traditionellen Süßwasserquellen wie Grundwasser, Flüssen oder Seen und hat zu Beginn der Reinstwasseraufbereitung in den allermeisten Fällen bereits Trinkwasserqualität.
Daniel Frank: Nach Angaben des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. kann aus 10 kg Reinstwasser durch Elektrolyse 1 kg Wasserstoff hergestellt werden. Für Produktion dieser Menge an Reinstwasser werden 12 bis 13 kg Oberflächenwasser benötigt. Der Bedarf für die Kühlung der Elektrolyse-Anlage ist hier noch nicht mit eingerechnet.
Gerd Sagawe: Grundsätzlich wird auch eine deutlich gesteigerte Herstellung von grünem Wasserstoff via Elektrolyse nur einen Bruchteil der Wassermengen anderer Nutzergruppen wie zum Beispiel der Landwirtschaft oder der öffentlichen Wasserversorgung benötigen. Nichtsdestotrotz muss durch den Einsatz alternativer Ressourcen vor allem eine Trinkwasserkonkurrenz vermieden werden. Zukunftsträchtige Quellen sind Meerwasser und teilweise auch Brack- oder Flusswasser. Auch Abwässer aus Industrie oder Kommunen können in Frage kommen. Technologisch ist dies alles machbar, am Ende ist es eine Frage der Kosten und des Preises. Daneben sind für eine tatsächliche Umsetzung Faktoren der Wasserverfügbarkeit sowie die örtlichen Umweltauflagen entscheidend.
Edwin Locker: Grundsätzlich gilt: Je unreiner das eingesetzte Rohwasser ist, umso aufwändiger ist es natürlich, dieses auf Reinstwasserniveau zu bringen. So entsteht beispielsweise bei Meerwasser allein schon durch die Entfernung des Salzanteils ein sehr hoher Energieverbrauch. Ferner muss hier für die aufkonzentrierten, teils warmen Solen als Reststoff eine umweltgerechte Lösung gefunden werden. Dieses Thema sollte auch die Wasserstoffwirtschaft proaktiv angehen.
Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Zuverlässigkeit. Während Meerwasser in etwa immer gleiche Eigenschaften hat, kann zum Beispiel bei Abwässern die Zusammensetzung deutlich schwanken. Um unter diesen Bedingungen ein zuverlässiges Funktionieren der Reinstwasserproduktion zu gewährleisten, sind viele weitere Aufbereitungsschritte erforderlich. Soll eine Wasserwiederverwendung stattfinden, wären von der Komplexität der Anlage her am ehesten definierte Industrieabwässer nutzbar.
Gerd Sagawe: Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Leitprojekt H2Mare will den von Offshore-Windenergieanlagen ohne Netzanbindung produzierten Strom nutzen, um direkt auf See Wasserstoff und andere Power-to-X-Produkte zu erzeugen. Dabei werden auch Verfahren der Wasseraufbereitung und -bereitstellung für die Elektrolyse erarbeitet.
Daniel Frank: Es bestehen zwischen Deutschland und einigen Ländern Energie- beziehungsweise Wasserstoffpartnerschaften, so auch seit 2021 mit Namibia. Das Land verfolgt ambitionierte Ziele beim Aufbau der Produktion von grünem Wasserstoff und dem Export über Derivate unter anderem nach Deutschland und andere europäische Länder. Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt GreeN-H2 Namibia soll die entsprechenden Entwicklungen begleiten, um die mit ihnen einhergehenden wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Risiken zu identifizieren und Barrieren, die einer nachhaltigen Entwicklung im Wege stehen, zu überwinden.
Dr.-Ing. Gerd Sagawe ist als selbstständiger Unternehmensberater im Partnerverbund der Dr. Weber & Partner GmbH (Frankfurt/M.) spezialisiert auf Wasser-, Abwasser-, Energie- und Umwelttechnik. Außerdem fungiert er als Vorstandsmitglied bei German Water Partnership (GWP) e.V. In diesem Netzwerk der international ausgerichteten deutschen Wasserbranche leitet er den Arbeitskreis Industriewasserwirtschaft.
Edwin Locker ist Geschäftsführer der Herco Wassertechnik GmbH in Freiberg am Neckar. Das Unternehmen widmet sich der Wasseraufbereitungstechnik mit Schwerpunkt Membrantechnologie. Zu den Produkten gehören Filter, Wasserenthärter, Ultrafiltrationsanlagen sowie Umkehrosmoseanlagen und Zubehör für verschiedene industrielle Anwendungen.
Dr. Daniel Frank ist Senior Advisor Wassermanagement bei der DECHEMA, Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V. in Frankfurt/M. Bei GWP e.V. hat er die Position als stellvertretender Leiter des Arbeitskreises Industriewasser inne.
Im Veranstaltungsprogramm der IFAT Munich 2024 referierten die drei Experten unter dem Titel „Water and its Role for Green Hydrogen: Solutions Made in Germany“ über die Synergien zwischen Wasserressourcen und Wasserstoffproduktion.