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Start-ups als Innovatoren der Umweltbranche

In der Start-up Area gibt die IFAT Munich 2022 rund 50 Nachwuchsunternehmen ein eigenes Forum, um ihre zukunftsweisenden Technologien und Geschäftsmodelle vorzustellen. Im Folgenden drei Beispiele, die die Vielfalt der dort präsentierten Produkte und Lösungen illustrieren.

Durch die gesellschaftlichen Herausforderungen in den Themenfeldern Klimawandel, Umweltschutz und Ressourceneffizienz steigt auch der Bedarf an innovativen umwelttechnologischen Lösungen. „Unter den Vordenkern finden sich hier seit einigen Jahren mehr und mehr Unternehmensgründerinnen und -gründer“, weiß Bruno Rudnik. Der Geschäftsführer des auf nachhaltige Technologien spezialisierten Münchner Beratungsunternehmens SusTech Consult fährt fort: „Deshalb ist es nur folgerichtig, dass die Messe München den Start-ups bei der IFAT Munich 2022 erneut ein eigenes, diesmal besonders großes Forum bietet.“ So werden bei der Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft rund 50 Nachwuchsfirmen die Ausstellungsfläche und die „Innovation Stage“ der Start-up Area mit Leben füllen.

Abfallanalyse mit KI und maschinellem Lernen

Dazu gehört das britische Unternehmen Greyparrot, das mittels Künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen den Abfallsortierungsprozess revolutioniert. Das System besteht aus einer Überwachungseinheit, die nachträglich über den Förderbändern in Sortieranlagen montiert werden kann, und einem Live-Dashboard, das Informationen über die Abfallzusammensetzung in Echtzeit anzeigt. Außerdem können diese Daten in beliebige Computerprogramme und Sortiermaschinen von Drittanbietern eingespeist werden.

Mit den KI-analysierten Kamerabildern ist es derzeit möglich, 50 Abfallarten zu klassifizieren – und das mit einer Fehlerquote von unter einem Prozent. Dabei werden die Objekte anhand von Texturen, Farben, Formen, Reflexionen, Größen und Mustern erkannt.

Ein wichtiger Einsatzbereich des Greyparrot-Systems ist die kontinuierliche, automatisierte Überwachung der Materialqualität in Abfall- und Kunststoffsortieranlagen. So verwendet es beispielsweise die ARA AG, Österreichs größtes Sammel- und Verwertungsunternehmen für Verpackungsabfälle, um die Qualität der von ihr gehandelten Sekundärmaterialien zu gewährleisten.

Greyparrot-Geschäftsführerin Mikela Druckman erläutert: „Wir ersetzen die bislang in der Branche üblichen, auf Vermutungen über die Zusammensetzung von Abfallströmen beruhenden Entscheidungen durch datengestützte Transparenz. Das System kann die Verwertungsquoten erhöhen, die Kosten für manuelle Probenahmen reduzieren, die Produktqualität verbessern sowie detaillierte Berichte für die Einhaltung kommerzieller oder gesetzlicher Vorschriften liefern.“

Analysetechnologie optimiert die Begasung in Belebungsbecken

Neben dem Abfallmanagement gehört die Abwasseraufbereitung seit jeher zu den Schwerpunktthemen der IFAT. Die Verunreinigungen im Abwasser werden in den Kläranlagen unter anderem mit Hilfe von Mikroorganismen biologisch abgebaut. Damit sich die Bakterien wohlfühlen und ihre Arbeit erledigen, benötigen sie Sauerstoff. Wird dem Becken zu wenig Sauerstoff zugeführt, sterben die Bakterien ab; wird zu viel zugeführt, erhöhen sich die Energiekosten ohne Steigerung der Ausbeute. Außerdem können in Kläranlagen klimaschädliche Gase wie Methan oder das als Lachgas bekannte Distickstoffmonoxid entstehen.

Das ist eines der Einsatz-Settings für die patentierte Echtzeitanalytik des Stuttgarter Start-ups Variolytics. Die auf Massenspektrometrie beruhende Analyseplattform hilft dabei, die in den Belebungsbecken entstehenden Treibhausgase zu überwachen. Auf Basis der Messwerte und speziellen Regelstrategien kann die Begasung permanent angepasst werden. „So können die Betreiber nicht nur das Klima schonen, sondern auch den Energieverbrauch bis zu einem Viertel vermindern“, berichtet der Firmengründer Dr.-Ing. Matthias Stier.

Die Variolytics GmbH kooperiert dafür mit der auf die intelligente Optimierung von Wasser- und Abwasserprozessen spezialisierten Aquatune GmbH aus Hahnstätten. Deren Geschäftsführer, Dipl.-Phys. Dr. Jörg Gebhardt, war als Pionier für das Maschinenlernen von den Lösungen des Stuttgarter Start-ups zur kontrollierten und optimierten Begasung in Belebungsbecken so beeindruckt, dass er sich entschloss, das Jungunternehmen als Business Angel zu unterstützen.

Nachhaltige Staubkontrolle durch angewandte Biotechnologie

Die bei der Gewinnung und Verarbeitung vieler Rohstoffe, zum Beispiel im Bergbau, erzeugten Stäube können die Gesundheit der Beschäftigten, die Umwelt und die Produktivität der Unternehmen negativ beeinflussen. Bisherige Methoden zur Staubbekämpfung sind aus ökologisch-ökonomischer Sicht meist problematisch, beispielsweise durch den Einsatz von Chemikalien oder einen hohen Wasserverbrauch. Als umweltfreundliche und effektive Alternative entwickelte das Biotechnologie-Unternehmens Bind-X ein Verfahren, das auf mikrobiologisch induzierter Kalzitausfällung basiert.

Als ersten Schritt klassifizieren die Experten der in Martinsried bei München angesiedelten Firma grob die an den Staubquellen – zum Beispiel den Abraumhalden – vorhandenen Böden und Umweltbedingungen. „Anschließend liefern wir ein Pulver, das eine mikrobiologische und eine Nährstoffkomponente enthält“, beschreibt Martin Spitznagel. Der Gründer und Geschäftsführer von Bind-X fährt fort: „Daraus wird am Anwendungsort durch Hinzufügen von Wasser eine Flüssigkeit erzeugt, die sich mit marktüblichen Geräten wie Sprühfahrzeugen, Wasserschleudern oder Sprinkleranlagen ausbringen lässt.“ Durch den dann einsetzenden bio-geochemischen Prozess bildet sich eine solide, natürliche Kruste, die bis zu zwölf Monate lang die Staubbildung unterdrücken kann.

Neben dem Einsatz in der Rohstoff- oder der Bauindustrie werden die Produkte von Bind-X laut Spitznagel auch in Photovoltaik-Anlagen zur Vermeidung von ungewünschter Staubablagerung angewendet. Zusätzlich bietet die Technologie der Landwirtschaft eine umweltschonende Methode, um Unkrautwachstum zu verhindern.