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Die Rolle der Müllverbrennung in der Kreislaufwirtschaft

Die thermische Abfallbehandlung ist heute ein zentraler Bestandteil der Entsorgungswirtschaft. Sie dient als Schadstoffsenke, indem sie umweltgefährdende Stoffe aus dem Kreislauf ausschleust. Umstritten ist ihre Bedeutung als Baustein der künftigen deutschen Energiewirtschaft.

Nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamtes von Februar 2018 wurden im Jahr 2017 in Deutschland 25,1 Millionen Tonnen Abfälle in thermischen Abfallbehandlungsanlagen verbrannt – darunter auch immer noch Wertstoffe. Aus Sicht des NABU wäre dies in vielen Fällen nicht nötig. Michael Jedelhauser, Referent für Kreislaufwirtschaft beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), sagt: Die Müllverbrennung hat durchaus ihre Berechtigung in einer Kreislaufwirtschaft. Sie sollte jedoch nur dort eingesetzt werden, wo eine hochwertige Verwertung von Abfällen nicht möglich ist. Noch immer kommt viel Material in die Verbrennung, das eigentlich recycelt werden könnte, zum Beispiel Bioabfälle, Kunststoffverpackungen und Gewerbeabfälle. Der NABU schlägt deshalb vor, Biotonnen flächendeckend aufzustellen, für Kunststoffverpackungen ein „Design for Reycling“ einzuführen und Gewerbeabfälle in Kommunen auf gesetzlicher Grundlage getrennt sammeln zu lassen.

Kein Widerspruch zur Kreislaufwirtschaft

Dass die Müllverbrennung nicht im Widerspruch zur Kreislaufwirtschaft stehe, sondern als Ergänzung anzusehen sei, betonen die Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts für Umwelt, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht) in einer Studie aus dem Jahr 2017. In der Arbeit mit dem Titel „Zur Rolle der thermischen Abfallbehandlung in der Circular Economy“ erklärt Dr.-Ing. Markus Hiebel: „Betrachtet man den heutigen Stand der Produktentwicklung und des menschlichen Konsums, so wird die thermische Abfallbehandlung noch langfristig eine wesentliche Ergänzung auf dem Weg zur zirkulären Wirtschaft sein. Sie hilft dabei, Zielkonflikte dort zu mindern, wo zirkuläre Produktion und Denkweisen heute an wirtschaftliche, rechtliche und stoffliche Grenzen stoßen.“

Die Fraunhofer-Studie hebt in diesem Zusammenhang folgende Pluspunkte der thermischen Abfallbehandlung hervor: Abfälle würden inertisiert, hygienisiert und konzentriert – somit aus dem Kreislauf ausgeschleust, Energie- und Sekundärrohstoffe ließen sich aus stofflich nicht verwertbaren Abfällen gewinnen. Nicht zuletzt deshalb werde die Müllverbrennung auch in absehbarer Zukunft ein wichtiger Baustein der Abfallbehandlung bleiben, schreiben die Fraunhofer Wissenschaftler in ihrem Fazit.

Müllheizkraftwerke könnten Lücke schließen

Kontrovers diskutiert wird hierzulande hingegen die Rolle der Müllverbrennung als künftiger Baustein der Energieerzeugung. Das Umweltbundesamt vertritt in seiner Studie „Energieerzeugung aus Abfällen Stand und Potenziale in Deutschland bis 2030“ aus dem Jahr 2018 die Ansicht, dass Müllheizkraftwerke die Lücke schließen könnten, die durch das Stilllegen von Kohlekraftwerken entstehe. Anders der NABU. Er rät vielmehr dazu, die Kapazitäten der Müllverbrennung mittel- und langfristig zurückzufahren und führt dafür folgende Argumente ins Feld:

  • Abfall sei kein erneuerbarer Energieträger,
  • mehr und mehr würden auch fossil basierte Abfälle wie Plastik verbrannt,
  • es sei zu befürchten, dass Anlagenbetreiber bei rückläufigem Abfallaufkommen sogar vermehrt auf Wertstoffe zurückgreifen müssten, um ihre Öfen auszulasten und wirtschaftlich betreiben zu können; dies konterkariere die Anstrengungen zu einem vermehrten stofflichen Recycling.

Mehr Plastik in der Müllverbrennung durch Importverbot?

Mit neuen Herausforderungen sieht sich die thermische Abfallbehandlung auch durch das chinesische Importverbot für Kunststoffabfälle von Anfang 2018 konfrontiert. Der Interessenverband der Müllverbrennungsanlagen in Deutschland ITAD hält eine durch das Importverbot verursachte Zunahme von Kunststoffabfällen in Deutschland für möglich:

Carsten Spohn, ITAD-Geschäftsführer: „Unsere Mitglieder stellen fest, dass die Gewerbeabfallmengen steigen, ebenso der durchschnittliche Heizwert. Beides kann an einem höheren Kunststoffanteil liegen. Daher gehen wir davon aus, dass Teilmengen, die vormals nach Südostasien exportiert wurden, nunmehr in deutschen Anlagen landen. Einige Gewerbebetriebe entsorgen Kunststoffabfälle zunehmend über die Restmülltonne.“

Aufgrund des fast dreimal höheren Heizwertes dieser Fraktion im Vergleich zu Hausmüll könnten keine großen Mengen angenommen und unvermischt verwertet werden, was die Verfahrensabläufe aufwendiger gestalte. Bedingt durch den gestiegenen Heizwert sinkt zudem die Durchsatzleistung eines Verbrennungskessels. Spohn: „Die energetische Verwertung von nicht-recyclebarem Kunststoff stellt so manche thermische Abfallbehandlungsanlage vor technologische Herausforderungen, die aber alles in allem lösbar sind.“