Sowohl grüne Technologien als auch die Startup-Szene erfahren aktuell ein bisher ungekanntes Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit. Doch speziell Umwelttechnik-Startups stehen vor besonderen Herausforderungen. Ein Gastbeitrag von Bruno Rudnik, Geschäftsführer SusTech Consult.
Der „Green Startup Monitor 2020“ zählt für Deutschland zwar etwa 6.000 grüne Startups, die sich neben den klassischen Startup-Kriterien (jünger als zehn Jahre, hoher Innovationsgrad, Mitarbeiter-/ Umsatzwachstum) dadurch auszeichnen, „dass sie mit ihren Produkten, Technologien und/ oder Dienstleistungen einen Beitrag zu den ökologischen Zielen einer Green Economy leisten“. Den größten Anteil dieser grünen Startups findet man jedoch in den Branchen Informations- und Kommunikationstechnologie, Ernährung und Nahrungsmittel sowie Konsumgüter. Erst darauf folgen technologieintensivere Sektoren wie Energie und Elektrizität, Automobile und Mobilität sowie Agrar- und Landwirtschaft. Die klassischen Umwelttechnologien wie Wasser und Abwasser, Abfall- und Kreislaufwirtschaft oder Luftreinigung sind dagegen kaum vertreten. Ebenfalls findet man junge Unternehmen aus der Umwelttechnik-Branche nur selten in Übersichten zu Startups mit dem schnellsten Wachstum oder den höchsten finanziellen Bewertungen.
Was sind die Gründe hierfür? Zum einen ist die Umwelttechnik-Szene selbst sehr vielfältig und vereint ein breites Spektrum an Technologien und Geschäftsmodellen sowohl im Bereich der digitalen Lösungen („Software“) als auch im Anlagenbau („Hardware“). Zum anderen ist insbesondere die Entwicklung und Kommerzialisierung innovativer Prozesstechnologien in der Regel ein sehr zeit- und kapitalintensives Unterfangen. Von Forschung über Prototypen und Pilotanlagen bis hin zur Marktreife vergehen oftmals 5-10 Jahre mit hohem Finanzierungsbedarf. Während die Frühphasen-Finanzierung in Europa auch über öffentliche Förderprogramme gut entwickelt ist, kämpfen viele Startups mit der Wachstumsfinanzierung zur Skalierung ihrer Technologien.
An dieser Herausforderung setzt z.B. der neue 10 Milliarden Euro schwere Innovation Fund der Europäischen Kommission an: Sein Ziel ist die Umsetzung von Demonstrationsprojekten für eine kohlenstoffarme und zirkuläre Wirtschaft. Große Chancen auf dem Weg zur Markteinführung innovativer Technologien bietet auch die Kooperation zwischen Startups und Industrieunternehmen. Mit wenigen Ausnahmen ist die Umwelttechnik-Branche stark durch mittelständische Firmen geprägt, die in ihren Märkten aber oftmals „Hidden Champions“ mit weltweiter Präsenz sind. Denkbar sind Kooperationen nicht nur zu Pilotprojekten und ersten Anwendungsfällen, sondern entlang der gesamten unternehmerischen Wertschöpfungskette z.B. in der Nutzung von Produktionskapazitäten oder von Vertriebs- und Servicenetzwerken für einen schnelleren und zielgerichteten Marktzugang.
Ein weiteres Trendthema in der grünen Startup-Szene: die Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) in der Umwelttechnik. Junge Unternehmen wie adiutaByte (optimierte Routenplanung z.B. für die Entsorgungswirtschaft) oder angsa robotics (autonom fahrende Reinigungsroboter für Wiesen und Grasflächen) verbinden die Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit durch konkrete technologische Innovationen mit ökologischem und ökonomischem Nutzen. Neben der Sammlung und Sortierung von Wertstoffen bieten beispielsweise die Steuerung von Wasserverteilungs- und Kanalnetzwerken oder Prognosemodelle in der Umweltüberwachung vielversprechende Anwendungspotenziale für Künstliche Intelligenz in der Umwelttechnik.
Bruno Rudnik, Geschäftsführer SusTech Consult