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Sportartikelrecycling: Neues Leben für alte Skischuhe

Viele Wintersportlerinnen und -sportler gönnen sich am Saisonbeginn neue Skischuhe. Doch was passiert mit den ausgemusterten Vorgängern? In zwei, bis zu diesem Jahr von der EU geförderten Projekten loteten die Hersteller Dalbello und Tecnica – zusammen mit ihren jeweiligen Kooperationspartnern – die Recyclingmöglichkeiten für die massiven Ausrüstungsteile aus.

Nach Angaben der Europäischen Union werden pro Jahr weltweit rund 3,5 Millionen Skischuh-Paare produziert. Deren durchschnittliche Lebensdauer beträgt drei Jahre im Verleih und fünf Jahre bei privat gekauften Skischuhen. Anschließend werden die jeweils bis zu 2,5 kg schweren Stiefel in aller Regel als Abfall entsorgt. Dabei landen jährlich schätzungsweise neun Millionen Kilogramm Kunststoffabfall auf den Mülldeponien der Welt oder werden thermisch entsorgt. Die eingesetzten Materialien gehen damit dem Rohstoffkreislauf verloren.

Herausforderungen für einen Materialkreislauf

Jeder Skischuh besteht aus mehr als 100 Kunststoffteilen, thermoplastischen und geschäumten Materialien, Klebstoffen und Metallkomponenten. In der Vergangenheit scheiterten Versuche, hier einen Recyclingkreislauf zu installieren, an den Kosten für Demontage und Materialtrennung. Speziell für das Sortieren und Rezyklieren der aus Schaumstoffsandwiches bestehenden Innenschuhe fehlten bislang praktikable Lösungen. In den letzten drei beziehungsweise vier Jahren wurden auf Herstellerinitiative allerdings zwei erfolgreiche Recyclingpfade entwickelt und installiert.

Das LIFE RESKIBOOT-Projekt

Das Vorhaben RESKIBOOT wurde zwischen September 2020 und Februar 2024 vom EU-LIFE-Programm gefördert. Ziel der sieben Projektpartner war es, den Lebenszyklus eines Skischuhs im Sinne der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung neu zu denken. Der Fokus des Rücknahme- und Recyclingsystems lag auf dem Skiverleih. Durch den kombinierten Effekt der Vermeidung von Abfallströmen bei der Herstellung und der geringeren Verwendung von neuen Rohstoffen sollten ferner die Endkosten für Skischuhe um mindestens sieben Prozent gesenkt werden.

Bei dem Projekt wurde folgendes Gesamtkonzept erarbeitet:

  • Rent and Go, ein Partner aus dem Skiverleih, stellt die ausgedienten Skischuhe bereit.
  • In einem ersten Schritt werden sie vollständig zerkleinert und anschließend in Fraktionen sortiert.
  • Die zurückgewonnenen Metalle aus Schrauben, Rasthaken oder Schnallen wandern in Recyclingprozesse außerhalb des LIFE RESKIBOOT-Projekts.
  • Die zerkleinerten Kunststoffe, Schaumstoffe und weichen Materialien bereitet das Recycling-Unternehmen Plastic Sort S.R.L. für die Wiederverarbeitung auf. Zur Materialtrennung kommt ein Verfahren auf der Grundlage eines elektromagnetischen Effekts zum Einsatz, das bei Polyurethan- und Schaumstoffkomponenten eine Effizienz von 95 Prozent erreicht.
  • Beim Skischuhersteller Dalbello werden die härteren Kunststoffteile anschließend fein gemahlen und in den Produktionskreislauf zurückgeführt. Parallel werden die zuvor sortierten weichen Teile der Innenschuhe gemahlen, zu Blöcken verdichtet und bei der Firma Grifone S.R.L. zu neuen Innenschuhen verarbeitet.

Im Rahmen von LIFE RESKIBOOT wurden 1.000 Paar hochqualitative Skischuhe mit insgesamt 70 Prozent Rezyklatanteil hergestellt, die über den Verleih zurück auf die Pisten gebracht werden. 90 Prozent aller Polymer-Materialien stammen dabei aus dem Post-Consumer-Recycling. Durch die Kreislaufführung konnten rund 3,6 Tonnen Abfall und zwölf Tonnen CO2-Aquivalent vermieden werden. Auch das Ziel der siebenprozentigen Kostenersparnis wurde erreicht.

Laut Dalbello wird die Initiative seit dem Abschluss der geförderten Projektphase im Frühjahr dieses Jahres vor dem Hintergrund technologischer Fortschritte, neuer Materialien und veränderter gesetzlicher Vorgaben ständig weiterentwickelt. Die Ergebnisse des Projekts seien jedoch erfolgreich in die Serienproduktion integriert worden: Über 30.000 Paar Skischuhe seien bislang mit recycelten Polymeren gefertigt worden.

Das LIFE-RecycleYourBoots-Projekt

Die EU-LIFE-Förderung für die Sammel- und Recycling-Initiative RecycleYourBoots des italienischen Skischuhherstellers Tecnica startete im September 2021. Hier die Eckpunkte des Projekts:

  • Endkundinnen und -kunden können ihre ausrangierten Alpinskischuh-Paare – egal von welchem Hersteller – bei 1.500 teilnehmenden Geschäften in Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich abgeben. Die Stiefel sollten nicht älter als Baujahr 2000 sein. Die nächstgelegene Abgabestelle findet man unter www.tecnicagroup.com/de/recycle-your-boots. Mit Sammelaktionen bei Sportveranstaltungen und durch die Zusammenarbeit mit dem Ski-Verleih erweiterte die Tecnica Group den Einzugsbereich des Projekts.
  • Umweltfreundliche Fahrzeuge bringen die alten Skistiefel routenoptimiert zum „Evaluation Center“ in Italien.
  • Die Skischuhe werden auf Grundlage eines strengen Auswahlverfahrens geprüft. Wenn sie noch voll funktionsfähig sind, werden sie über das Vertriebsnetz aus Second-Hand-Läden der Cooperativa Sociale Insieme als Gebrauchtware verkauft. Der gesamte Erlös geht an die Non-Profit-Organisation Insieme für ihre Projekte zur beruflichen Eingliederung von Menschen in Not.
  • Skischuhe, die nicht mehr einsatzfähig sind, werden zerlegt, vorsortiert, getrennt, geschreddert und gewaschen. Aus den Innenschuhen, die aus Schaumstoffen und Geweben bestehen, wird ein Sekundärmaterial geschaffen, das sich zusammen mit neuem Polyurethan in der Sandwich-Konstruktion von Skipisten-Schutzmatten einsetzen lässt. Die Kunststoffe werden in Polypropylen (PP) und thermoplastisches Polyurethan (TPU) unterteilt und danach wieder zu Pellets verarbeitet. Aus dem TPU werden Bestandteile von Nordica- und Blizzard-Skiern sowie von Moon Boots produziert, die Metallen werden zu neuen Schnallen und Schrauben.

Bislang sammelte und rezyklierte RecycleYourBoots in 13 Ländern rund 24.000 Paar Skischuhe. Durch den Einsatz der Sekundärrohstoffe wurden 350 Tonnen an CO2-Emissionen eingespart. Das Projekt wird auch nach dem Ende der LIFE-Förderung im August 2024 fortgesetzt.

Cross Industry Session auf der IFAT Munich 2024

Mit den von der IFAT Munich adressierten Themen Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung sowie Klima- und Umweltschutz steht die Umwelttechnologie-Messe mit praktisch jedem Wirtschaftsbereich in Verbindung – und damit auch mit den jeweiligen Branchenmessen. Um hier einen Austausch zu fördern, rief die Messe München im Jahr 2023 die „Cross-Industry Sessions“ ins Leben. Auf der IFAT Munich 2024 fand das Informations- und Diskussionsformat unter dem Titel „Sportartikel- und Hardgoods-Recycling – Erfolge und Erkenntnisse“ statt. Ein Schwerpunkt dabei war das Skischuh-Recycling. Die Cross-Industry Session schlug damit eine inhaltliche Brücke zur ISPO Munich. Die internationale Leitmesse für das Sport-Business findet vom 3. bis 5. Dezember 2024 auf dem Münchener Messegelände statt.