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Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe: Es gibt Anlass zu Optimismus

Dr. Ralf Düssel, Vorstandsvorsitzender des Verbands Plastics Europe Deutschland, gab in einem Vortrag auf der IFAT Munich 2024 einen inspirierenden Ausblick auf die Zukunft der Kunststoff-Kreislaufwirtschaft. Hier seine wesentlichen Botschaften.

Die Kreislaufwirtschaft ist das zentrale Leitbild der Kunststoffindustrie und entscheidender Bestandteil aller ihrer strategischen Entscheidungen. Der Wandel von einem linearen Wirtschaftsmodell hin zur Kreislaufwirtschaft soll Abfall reduzieren, Kunststoffkreisläufe schließen und Produkte langfristig besser konzipieren. Außerdem ist der Einsatz von Rezyklaten, Biomasse und CO2 als nicht-fossile Rohstoffgrundlagen ein essentieller Beitrag zum Ziel der europäischen Kunststoffhersteller, bis zum Jahr 2050 vollständig klimaneutral zu werden.

Der Weg dorthin ist mit vielen Herausforderungen gespickt. Damit die Transformation gelingt, müssen die Akteure der Wertschöpfungskette enger zusammenrücken. Auch die notwendigen Investitionen sind enorm: Plastics Europe geht allein in Deutschland von einem mittleren zweistelligen Milliardenbetrag aus. Doch wir sind bereits auf einem guten Weg!

Deutschland als Reallabor

Wenn es der Bundesregierung gelingt, starke Anreize für technologieübergreifende Investitionen zu schaffen und sie es Unternehmen leichter macht, in die Kreislaufwirtschaft zu investieren, könnte Deutschland international zum Reallabor für die Kreislaufwirtschaft werden. Denn Deutschland hat hier gegenüber vielen anderen Regionen der Welt einen Technologievorsprung, den es jetzt noch weiter auszubauen gilt. Beispielsweise verfügen wir bereits über eine vollständig integrierte Wertschöpfungskette in der Kunststoffindustrie: Von den Produzenten über die Verarbeiter bis hin zu den Recyclingunternehmen und den Maschinenbauern – alle wichtigen Akteure sind vor Ort. Zudem treiben Universitäten, Forschungsinstitute und NGOs die Transformation zur Kreislaufwirtschaft aktiv voran. Die räumliche Nähe erleichtert die Zusammenarbeit und fördert Innovationen.

Alle Technologien existieren bereits

Die Technologien, die wir für die Transformation zur Kreislaufwirtschaft brauchen, halten wir bereits in der Hand. Viele davon wurden sogar in Deutschland entwickelt. Für eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft müssen verschiedene Maßnahmen zusammenwirken. Das Leitbild KreislaufwirtschaftPLUS von Plastics Europe Deutschland zeigt die Maßnahmen auf, die es braucht, um die Kunststoffproduktion in Deutschland kreislauffähig zu machen. Demnach kommt zirkulärem Produktdesign bei der Transformation eine zentrale Rolle zu. Produkte müssen zunehmend so hergestellt werden, dass sie weniger Ressourcen verbrauchen, länger genutzt werden, im besten Fall wiederverwendbar und reparierbar sind sowie sich am Ende ihrer Nutzung optimal in den Kreislauf zurückführen lassen. Damit Unternehmen ihre Produktionsprozesse entsprechend umstellen können, braucht es Investitionsanreize.

Ein weiterer Schlüssel zur Kreislaufwirtschaft liegt im mechanischen Recycling. Trotz bestehender Infrastruktur wurden im Jahr 2021 in Deutschland nur 33 Prozent der Kunststoffabfälle mechanisch recycelt, während ein Großteil durch Verbrennung entsorgt wurde. Hier müssen verstärkt Investitionen in modernere Recycling- und Sortieranlagen erfolgen, um langfristig höhere Recyclingquoten zu erzielen. Mechanische Recyclinganlagen sollten idealerweise so ausgebaut werden, dass sie auch komplexe Kunststoffabfälle effizient verarbeiten können.

Zusätzlich spielt das chemische Recycling eine bedeutende Rolle, insbesondere für Kunststoffe, bei denen das mechanische Recycling an seine Grenzen kommt – zum Beispiel bei Verbundkunststoffen und stark gemischten Kunststoffabfällen, die bislang meist thermisch verwertet werden. Durch chemische Verfahren können diese Kunststoffe aufbereitet und wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden. Nur durch die Kombination von mechanischem und chemischem Recycling kann die Nutzung von Kunststoffabfällen maximiert und der Einsatz von fossilen Ressourcen in der Kunststoffindustrie effektiv reduziert werden.

Darüber hinaus müssen Biomasse und Kohlendioxid (CO2) verstärkt als alternative Rohstoffe genutzt werden. Die Verfügbarkeit von Biomasse ist zwar begrenzt, doch sie wird entscheidend dazu beitragen, Materialverluste im Kreislauf auszugleichen. Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist die Nutzung von CO2 aus industriellen Prozessen. Technologien, wie die Kohlenstoffabscheidung und -nutzung (Carbon Capture and Utilization, kurz CCU), können das Gas aus Quellen wie Zementwerken gewinnen und zur Herstellung von Kunststoffen verwenden, was ebenfalls fossile Rohstoffe ersetzt.

© Messe München GmbH

Die ganze Wertschöpfungskette zusammenbringen

Ein essentieller Faktor für den Erfolg der Kreislaufwirtschaft ist die enge Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die Kooperation zwischen Produzenten, Recyclern und der chemischen Industrie hat in den letzten Jahren zugenommen. Ein Beispiel hierfür ist die gemeinsame Erklärung der Kunststofferzeuger und Recycler, die sich für eine stärkere Förderung des mechanischen Recyclings aussprechen, während gleichzeitig die Bedeutung des chemischen Recyclings anerkannt wird.

Auch die Politik spielt eine wichtige Rolle. Trotz oft schleppender Prozesse gibt es klare Fortschritte auf nationaler und europäischer Ebene. Regulierungen, wie die EU-Verpackungsverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation, kurz PPWR), setzen verbindliche Quoten für den Einsatz von Rezyklaten in Produkten und schaffen Anreize für Investitionen in neue Recyclingtechnologien sowie in die Sammlung und Sortierung.

Kreislaufwirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit gehen Hand in Hand

Technologische Innovation, politische Unterstützung und verstärkte Zusammenarbeit in der Branche bieten eine solide Grundlage für den Übergang zu einer nachhaltigen, klimaneutralen Kreislaufwirtschaft. Dennoch stellen hohe Energie- und Rohstoffpreise, Bürokratie und langwierige Genehmigungsverfahren die Unternehmen in Deutschland bei der Transformation vor große Herausforderungen. Gelingt es der Bundesregierung nicht, den Industriestandort zukunftsfähig zu gestalten, könnten sich die dringend benötigten Investitionen in die Transformation zur Kreislaufwirtschaft verzögern. Daher muss es eine Priorität sein, die Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen. Das bedeutet allerdings nicht, bei der Nachhaltigkeit Abstriche zu machen. Im Gegenteil: Investitionen in grüne Technologien sind ein wichtiger Wettbewerbsvorteil.

Portrait Dr. Ralf Düssel
© Messe München GmbH

Über den Autor

Dr. Ralf Düssel begann seine berufliche Laufbahn 1996 bei der Degussa Marl & Hanau. Im Jahr 2001 wurde er Standortleiter bei Degussa Waterford in den USA, ehe er 2005 zu Evonik nach Essen wechselte. Nach mehreren Führungspositionen innerhalb des Chemieunternehmens verantwortete Düssel bei Evonik am Standort Marl von 2018 bis 2023 das globale Geschäft der Hochleistungspolymere, bevor er die Rolle des Head of Sustainability übernahm. Er ist zudem Mitglied des Steering Boards des pan-europäischen Verbandes Plastics Europe in Brüssel und Vorstandvorsitzender von Plastics Europe Deutschland.