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Die Industrie schließt ihre Wasserkreisläufe

Die in vielen Regionen der Erde zunehmende Wasserknappheit ist ein weiterer Motor für einen möglichst effizienten Umgang mit dem in zahlreichen industriellen Prozessen unersetzlichen Gut.

Der Wasserstress nimmt weltweit zu. Einerseits steigt der Bedarf: Die Unesco rechnet im Weltwasserbericht 2023 bis zum Jahr 2050 mit einer Zunahme des Wasserverbrauchs um 20 bis 30 Prozent. Andererseits werden die nutzbaren Ressourcen knapper und der Klimawandel sorgt zusätzlich für Schwankungen in der Verfügbarkeit. Vor diesem Hintergrund wird eine effiziente und schonende Wassernutzung immer wichtiger. Nicht zuletzt in der Industrie: In Deutschland ist sie laut der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, für rund 62 Prozent der Frischwasserentnahmen verantwortlich. Im Durchschnitt der Industrienationen sind es 17 Prozent (The United Nations World Water Development Report 2023).

Auf bisherigen Erfolgen aufbauen

Im industriellen Wassermanagement werden schon seit vielen Jahren Technologien zu Wassereinsparung und -wiederverwendung eingesetzt. So nutzt laut dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) die Branche inzwischen jeden Liter Wasser rund sechs Mal. Als Beispiel aus der Textilindustrie brachte Kyocera im vergangenen Jahr einen Tintenstrahl-Textildrucker auf den Markt, der den Wasserbrauch beim Stoffdruck von üblicherweise über 150 Litern pro Kilogramm Stoff auf nahezu Null senkt. Laut dem Hersteller gibt die weitgehende Unabhängigkeit von hoher Wasserverfügbarkeit den Textilunternehmen nicht zuletzt ganz neue Möglichkeiten bei der zukünftigen Standortwahl. Im Brauereigewerbe gilt die Carlsberg-Hauptbrauerei im dänischen Frederica als aktuelles Benchmark: Durch die Inbetriebnahme einer hochmodernen Wasseraufbereitungsanlage im Jahr 2021 wurde dort der Wasserverbrauch von ursprünglich 2,9 Liter Wasser pro Liter Bier auf 1,4 Liter halbiert.

Eine gänzlich abwasserfreie Produktion ist möglich

Als Maximallösung kann das Konzept der Zero Liquid Discharge (ZLD), also die komplette Kreislaufführung des im industriellen Prozess eingesetzten Wassers und dessen Wertstoffe, gelten. Realisiert wurde ZLD in der Vergangenheit weltweit schon bei Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen: in der Automobilindustrie, bei der Produktion von Photovoltaikanlagen oder in der Klebstoffherstellung. „Vor allem in Bereichen mit einem hohen Bedarf an Produktionswasser und gleichermaßen hohen Qualitätsanforderungen – wie zum Beispiel in der Chemieindustrie oder Mikroelektronik – kann ein vollständiges Wasserrecycling zu einer konstanten Verfügbarkeit der Menge und Qualität beitragen“, unterstreicht Michael Boden, Prokurist bei Remondis Aqua Industrie. Das Unternehmen ist Teil der Remondis Aqua, die zu den führenden deutschen Anbietern für kommunales und industrielles Wassermanagement zählt. Nach seinen Worten sind für eine erfolgreiche großtechnische Umsetzung von ZLD-Anlagen neben der Auswahl der Technologie die Investitions- und Betriebskosten ausschlaggebend. „Beispielsweise kann der erhöhte Energieaufwand im Vergleich zum vorherigen Behandlungsgrad durch eine optimale Auswahl der Behandlungsstufen und der dazugehörigen Technologie minimiert werden“, schildert Boden. Außerdem sei es möglich, die im ZLD-Prozess zurückgewonnenen Wertstoffe in interne Kreisläufe zurückzuführen oder am Markt zu verkaufen. Weitere Details zu den Chancen und Herausforderungen bei der Umsetzung von ZLD-Anlagen wird der Experte auf der internationalen Umwelttechnologiemesse IFAT Munich 2024 erläutern. Sein Vortrag „Ressourcenrückgewinnung in der industriellen Wasseraufbereitung – Mehrwert und Herausforderungen von Zero-Liquid-Discharge-Anlagen“ findet am 17. Mai um 10:30 Uhr auf der Green Stage in Halle C4 des Münchner Messegeländes statt.

Salzhaltige industrielle Wasserströme nutzen

Zu den bedeutenden Inhaltsstoffen industrieller Abwässer zählen Salze. Derzeit werden in Deutschland jährlich mehr als sechs Millionen Tonnen Chlorid über das Abwasser in Oberflächengewässer eingeleitet. Der Großteil davon stammt aus der chemischen und der mineralverarbeitenden Industrie. „Da es sich bei den Salzbelastungen häufig um Mischungen aus verschiedenen Salzen handelt und/oder die Konzentration für eine direkte Nutzung zu gering ist, sind Aufbereitungsverfahren erforderlich, um eine Weiternutzung zu ermöglichen“, berichtet Dr. Yuliya Schießer vom Polymerwerkstoff-Hersteller Covestro Deutschland (Leverkusen) und fährt fort: „Von entscheidender Bedeutung sind energieeffiziente Verfahren zur Trennung der Ionen oder zur Konzentrierung der Salzlösungen. Insbesondere im Bereich der hohen Salzkonzentrationen mangelt es noch an geeigneten Lösungen.“ Vor diesem Hintergrund verfolgt das Projekt RIKovery die Vision, salzhaltige industrielle Wasserströme möglichst vollständig zu nutzen und damit natürliche Wasserressourcen zu entlasten. Das Vorhaben ist Teil der vom Bundesforschungsministerium geförderten Maßnahme „Wassertechnologien: Wiederwendung (WavE II)“ und untersucht systematisch die Potenziale von innovativen Technologien wie Osmotic Assisted Reverse Osmosis, Low-Salt-Rejection Reverse Osmosis, High Pressure Nanofiltration, Foward Osmosis und Flow-Electrode Capacitive Deionization. Mehr über RIKovery erfährt man von Dr. Schießer auf der IFAT Munich 2024 beim Innovationsforum „Wassertechnologien zu Wasserwiederverwendung“ auf der Blue Stage in Halle B2. Die Session am 16. Mai ab 16:30 Uhr wird von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) organisiert.

Bedarf für Wasser- und Abwassertechnik steigt – zum Beispiel für Meerwasserentsalzung

Nach Angaben des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) haben die weltweiten Exporte von Wasser- und Abwassertechnik derzeit ein Volumen von elf Milliarden Euro – und liegen damit mehr als doppelt so hoch wie im Jahr 2012. „Dies lässt nicht nur auf einen international stetig steigenden Bedarf für die öffentliche Daseinsvorsorge, sondern durchaus auch auf eine zusätzliche Nachfrage für wachsende beziehungsweise neue industrielle Anwendungen schließen“, sagt Richard Clemens. Laut dem Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Verfahrenstechnische Maschinen und Apparate dürfte international zum Beispiel die Meerwasserentsalzung weiterhin an Bedeutung gewinnen – um sowohl die öffentliche Wasserversorgung als auch die Bereitstellung von Wasser als Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoff für die Industrie zu gewährleisten. Auf der IFAT Munich 2024 widmet sich eine von der European Water Association (EWA) am 14. Mai um 10:30 Uhr auf der Blue Stage veranstaltete Podiumsdiskussion der Meerwasserentsalzung als Beitrag zur Bewältigung der Wassermangelversorgung in Küstengebieten.