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Sieben erstaunliche Recycling-Lösungen

Die internationale Umwelttechnologiebranche erarbeitet kontinuierlich neue, oft erstaunliche Wege zur Sekundärnutzung und Kreislaufführung der unterschiedlichsten Materialien. Hier aktuelle Beispiele zu Büropapier, Geisternetzen, Holz, Solarzellen, Fahrradreifen, Bioabfällen und bislang schwer rezyklierbaren Kunststoffen.

Büropapier wird Büropapier

Das global tätige Technologieunternehmen Epson bietet mit dem PaperLab eine Maschine an, die am Anfallort – also zum Beispiel im Büro – in einem kleinen lokalen Kreislauf aus bedrucktem Altpapier neue Bögen herstellt. Das Input-Material wird in einem trockenen Verfahren zerfasert, gebunden, gepresst und zu sauberen DIN A4- oder DIN A3-Blättern geschnitten. Bei diesem Vorgang werden außerdem vertrauliche Dokumente sicher vernichtet. Das knapp drei Meter breite und zwei Meter hohe Gerät kann pro Stunde bis zu 720 DIN A4-Blätter produzieren. Zu den aktuellen Anwendern zählt die italienische Luxusmodemarke Brunello Cucinelli.

© Epson

Fischernetze werden Teil des Stromnetzes

Der Technologiekonzern Schneider Electric hat voraussichtlich ab Juni dieses Jahres mit „Merten Ocean Plastic“ eine Serie von Schaltern und Steckdosen im Programm, die zur Hälfte aus rezyklierten Geisternetzen aus dem Arabischen Meer und dem Indischen Ozean bestehen. Die herrenlos im Meer treibenden Fischernetze werden zerkleinert, gereinigt und extrudiert. Das Ergebnis: Ein Rohstoff, der zu 15 Prozent aus Glasfaser besteht und mit einem geringen CO₂-Fußabdruck punktet. Kombiniert mit weiteren 50 Prozent Recycling-Plastik aus der Industrie lassen sich daraus nach Firmenangabe besonders langlebige und widerstandsfähige Schalter und Steckdosen produzieren.

Holz von Holz trennen

Es gibt Unternehmen, die in ihren Fertigungsprozessen Recycling-Holz verwenden wollen, bei dem es nicht reicht, dass die Holzspäne frei von Inertmaterial und Metallen sind. Vielmehr müssen auch andere Verunreinigungen wie Holzwerkstoffe und Polymere entfernt werden. Da diese Materialien jedoch mit Röntgentechnik nicht unterscheidbar sind, musste die auf sensorgestützte Sortiersysteme spezialisierte Firma Tomra eine innovative Lösung finden. Die neue Anwendung des Unternehmens nutzt Deep-Learning, um verarbeitete Holzverbundstoffe wie MDF-, HDF- und OSB-Platten sowie Spanplatten als Verunreinigung auszusortieren, sodass eine saubere Fraktion unverarbeitetes Holz übrigbleibt. Alternativ können – je nach Kundenwunsch – einzelne hochreine Holzverbundstofffraktionen aus dem Zufuhrstrom erzeugt werden.

Silizium für neue Solarzellen zurückholen

Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Centers für Silizium-Photovoltaik und des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE haben gemeinsam mit dem Recyclingunternehmen Reiling ein Verfahren entwickelt, mit dem sich das Silizium aus ausrangierten kristallinen Photovoltaik-Modulen zurückgewinnen lässt. Aus Wafern, die zu 100 Prozent aus dem aufgereinigten Recycling-Silizium bestehen, wurden PERC-Solarzellen hergestellt, deren Zellwirkungsgrad im ersten Versuch 19,7 Prozent betrug. Nach Angaben des Frauenhofer ISE liegt das unter dem Wirkungsgrad heutiger Premium-PERC-Solarzellen mit etwa 22,2 Prozent Wirkungsgrad, aber „mit Sicherheit über dem der Solarzellen in den alten, ausgemusterten Modulen“. Der Recyclingprozess sei skalierbar und wirtschaftlich sinnvoll. Das Bild zeigt gereinigtes Silizium und ein Wafer, der vollständig aus rezyklierten Silizium besteht.

Gas, Öl und Koks aus Fahrradreifen

Die Technische Hochschule Köln will mit einem Pyrolyse-Verfahren alte Fahrradreifen rohstofflich verwerten. Dabei entstehen Gas, Öl und Koks. Das Pyrolysegas wird in zwei Blockheizkraftwerken verstromt, was die Anlage energieautark macht. Das Pyrolyseöl lässt sich zu wertvollen Feinchemikalien für die chemische Industrie weiterverarbeiten. Das Pyrolysekoks – auch Recycling-Ruß oder recovered Carbon Black genannt – soll in neue Fahrradreifenmischungen eingebracht werden und fossil hergestellten Industrieruß ersetzen. Als Kooperationspartner sind die Ralf Bohle GmbH und die Pyrum Innovations AG mit im Boot.

Milchsäure und Methan aus Biomüll

Forscherinnen und Forscher der Murdoch University im australischen Perth wandeln in einer Bioraffinerie organische Lebensmittelabfälle in Methan, Milchsäure und Kohlendioxid um. Das Methan kann ins Erdgasnetz eingespeist sowie zur Erzeugung von Strom oder Treibstoffen genutzt werden. Milchsäure ist eine wichtige Basischemikalie, die in der Pharma-, Lebensmittel- und Textilindustrie sowie bei der Herstellung von biologisch abbaubaren Kunststoffen verwendet wird. Laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist die Milchsäurerückgewinnung nicht nur technisch machbar, sondern auch kommerziell attraktiv.

Think big im Kunststoffrecycling

Der Chemiekonzern Eastman hat im Januar dieses Jahres angekündigt, bis zu eine Milliarde US-Dollar in eine Anlage für molekulares Kunststoff-Recycling in Frankreich zu investieren. Sie soll jährlich etwa 160.000 t schwer rezyklierbare Kunststoffabfälle verarbeiten – Material, das heute in der Regel verbrannt wird. In der neuen Anlage sollen die Abfälle in ihre molekularen Bausteine zerlegt und dann wieder zu nutzbarem Material zusammengesetzt werden. Die Recycling-Einrichtung mit angeschlossenem Innovationszentrum soll bis zum Jahr 2025 an einem nicht näher benannten Standort in Frankreich in Betrieb genommen werden.

Schlusswort

Einen noch viel breiter angelegten Überblick über topaktuelle Lösungen der internationalen Kreislaufwirtschaft erhalten Interessierte bei der IFAT Munich, der Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft.