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Die Kreislaufwirtschaft muss digitaler werden

Besser jetzt als gleich durchstarten: Förderprogramme und Forschungsprojekte sorgen für Aufwind bei der Digitalisierung der Kreislaufwirtschaft.

Aus Sicht der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) stellt die Digitalisierung eine große Chance für die Kreislaufwirtschaft dar. „Stoffströme und Verbräuche können genauestens analysiert und so besser gemanagt werden“, sagt Dr. Max Hempel, Abteilungsleiter Umweltforschung und Naturschutz bei der DBU. Materialverluste ließen sich so mindern. Bundesumweltministerin Svenja Schulze hingegen differenziert: „Digitalisierung braucht Regeln, dann kann sie zum Chancentreiber von Wohlstand, Gerechtigkeit und Umwelt werden.“ Bis Ende dieses Jahres will das Bundesumweltministerium (BMU) im Dialog mit Anwendern, Entwicklern und Nutzern eine „Umweltpolitische Digitalagenda“ erarbeiten.

© iSTock / bubaone

Verhältnis Dienstleister/Kunde verbessern

Die Digitalisierung bietet nicht nur die Chance, effizienzsteigernde Technik an Fahrzeugen und Behältern voranzutreiben, sondern kann auch helfen, Schnittstellen zwischen Dienstleistern und Kunden zu optimieren. Der VDMA fordert in einem aktuellen Positionspapier dazu auf, schnell zu handeln: Der Aufbau einer einheitlichen Kommunikationsinfrastruktur für die digitalisierte Industrie bietet die Chance zum Sammeln von Nachhaltigkeitsdaten. Die Kosten, das System anzupassen, steigen, je weiter die Digitalisierung fortschreitet, ohne die Kreislaufwirtschaft zu berücksichtigen. Dieses Zeitfenster gilt es zu nutzen, so der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

Noch viel Potenzial zu heben

In der VDMA-Studie wird häufig ein Autor zitiert, der bereits im Jahr 2017 eine differenzierte Analyse der „digitalen Transformation als Wegbereiter ressourcenschonender Stoffkreisläufe“ geliefert hat. Laut Dr. Henning Wilts, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, spielen folgende Branchen bei der Digitalisierung eine tragende Rolle: die rohstoffverarbeitende Industrie, die Metallindustrie und die mit hohen Kunststoffanteilen arbeitende Verpackungsindustrie. Wilts verweist auch auf eine Studie des BMU, wonach kein Umweltleitmarkt so stark von der Digitalisierung profitieren könnte wie die Kreislaufwirtschaft – gleichzeitig aber kein Sektor bisher so schlecht aufgestellt sei.

Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen brauchen Unterstützung

Wilts fordert ein Kompetenzzentrum „Digitalisierte Kreislaufwirtschaft“, denn vor allem kleine und mittlere Unternehmen benötigen Unterstützung in diesem für sie vielfach noch neuen Geschäftsfeld. Zusammenfassend stellt Wilts fest:

Dr. Henning Wilts, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie: „Um eine ressourcenschonende und digitale Kreislaufwirtschaft zu realisieren, müssen Industrie, Abfallwirtschaft und Unternehmen vernetzt werden, damit ein funktionierendes Wertschöpfungsnetz aufgebaut werden kann.“

Sonderprogramm für Startups

Einige der von Wilts formulierten Forderungen sind mittlerweile Realität geworden. So hat die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) in diesem Jahr das 1,5 Millionen Euro schwere Green Startup-Sonderprogramm aufgelegt, um Firmengründer mit dem Schwerpunkt Digitalisierung zu fördern. Jeweils 125.000 Euro Fördermittel stehen damit pro Jungunternehmen bereit. Außerdem bietet die DBU den geförderten Partnerfirmen das Kompetenz-Netzwerk „nachhaltig.digital“ zur Unterstützung an und leistet fachliche Beratung.

Vorreiter Sortiertechnologie

Viele konkrete Beispiele aus der Sortiertechnologie zeigen, welches Potenzial eine digitalisierte Kreislaufwirtschaft besitzt. Dazu gehört das „MaReK“-Projekt, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Im Mittelpunkt steht das sogenannte Trace Based Sorting (TBS) bei Kunststoffverpackungen. Dabei werden Verpackungen direkt im Packstoff oder auf der Verpackungs-Dekoration mit Fluoreszenzpartikeln markiert. Diese ergeben ein „Codesystem“, das beim Sortiervorgang keine anderen Signale erzeugt. Dadurch ist ein schnelles und sicheres Erkennen von bislang schwer oder nicht-unterscheidbaren Kunststoffen wie PET-Flaschen gewährleistet. Der verwendete Code arbeitet unbeeinflusst durch Verschmutzungen, Deformation oder anderweitig vorhandene Pigmente. Projektpartner des Pilotvorhabens sind der Grüne Punkt – Duales System Deutschland, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Hochschule Pforzheim sowie die Firmen Werner & Mertz und Polysecure.

Gefahrloses Rückwärtsfahren mit Müllfahrzeugen

Das Rückwärtsfahren bei Müllfahrzeugen birgt nach wie vor für alle Verkehrsteilnehmer ein großes Sicherheitsrisiko. Vor allem enge, unübersichtliche, schlecht befahrbare Wege und Einbahnstraßen sind Problempunkte. Trotz Einweiser, Rückfahrkameras und automatischen Bremssystemen kommt es dort immer wieder zu Unfällen. Mit der Software A/C/S® neo lassen sich die Richtlinien des Rückwärtsfahrens aus der „Branchenregel Abfallsammlung“ umsetzen: Das Programm des Erfurter IT-Spezialisten Q-Soft bietet die Möglichkeit, ein eigenes Straßeninformationssystem aufzubauen. In dessen Stammdaten lassen sich die unterschiedlichsten Angaben für den Entsorgungsprozess in bestimmten Straßen und Objekten einpflegen. Bei der Tourenplanung helfen diese Informationen dem Disponenten dabei, einzuschätzen, in welchem Straßenabschnitt das Rückwärtsfahren notwendig ist, beziehungsweise wo der Abfall mit einem Kleinfahrzeug entsorgt werden muss. Zudem wird das Rückwärtsfahrkataster grafisch im integrierten GIS-System dargestellt. Diese Informationen werden anschließend analog oder digital an den Fahrer des Müllwagens übermittelt.