Mit seiner vergleichsweisen jungen Bevölkerung (rund 80 Millionen Menschen) und der vorteilhaften geopolitischen Lage, welche Verbindungen zu Industrie- und Entwicklungsländern ermöglicht, ist die Türkei ein Land mit großem Potenzial. Dazu gehören auch die Investitionsmöglichkeiten im Bereich der technischen Infrastruktur sowie die Produktionskapazitäten und Exporte, die dank der vielen engagierten Arbeitskräfte stetig steigen. Obwohl die Beziehungen der Länder in letzter Zeit anscheinend auf dem Prüfstand stehen, ist die Türkei Beitrittskandidat der Europäische Union und Vertragspartei der Zollunion.
Der türkische Fünfjahresplan 2019-2023 zielt auf Wachstum in allen Bereichen, insbesondere auf wirtschaftliches Wachstum, und erfordert eine Steigerung der Industrieproduktion. Als natürliche Folge wird die Abfallmenge zunehmen. Voraussetzung für diese Entwicklungen: eine angemessene Infrastruktur.
In der Türkei haben alle Umwelttechnologien ein großes Potenzial, vor allem im Bereich der Abfallwirtschaft. Das zunehmende gesellschaftliche Bewusstsein und der zunehmende Technologieeinsatz steigern die Bedeutung der Branche. Der "Zero Waste"-Ansatz wird von höchster politischer Ebene unterstützt. Obwohl die Auswirkungen des Coronavirus den Fortschritt verlangsamt haben, brachte dieser Ansatz dem Sektor viel Aufmerksamkeit. Anfänglich hauptsächlich auf Hausmüll angewendet, wird dieser Ansatz sehr zu unserem Umweltschutz beitragen, sobald er eine breite Anwendung findet und auf Industrieabfälle ausgeweitet wird.
Man kann davon ausgehen, dass es bei Industrieabfällen in den institutionalisierten Industrieanlagen keine ernsthaften Umweltprobleme gibt. Im Allgemeinen verfügen nur kleine Unternehmen nicht über die notwendigen Kenntnisse und Investitionsmöglichkeiten. Und da 99 % der gesamten Industrieunternehmen in der Türkei kleinere und mittlere Unternehmen sind, wird der Bedarf an Dienstleistungen und Ausrüstung für kleine Unternehmen noch wichtiger.
Besonders im Umweltmanagement und in der Abfallwirtschaft ist eine Steuerung und Kontrolle wichtig. Der entsprechende gesetzliche Rahmen ist vorhanden. Für die Praxis wären geringfügige Verbesserungen in Rechtsfragen förderlich. Darüber hinaus wird die Notwendigkeit einer intensiveren Überwachung bei Feldanwendungen deutlich.
Entscheidend ist, dass die relevanten Institutionen und Organisationen zusammenarbeiten und ausreichend Daten zur Verfügung stellen. Das ist einer der verbesserungsbedürftigen Aspekte des Sektors. Der Mangel an ausreichenden Daten, insbesondere in Bereichen mit Investitionspotenzial, führt dazu, dass vor allem internationale Investoren mögliche Investitionen zurückstellen.
Die Coronavirus-Pandemie, die nach wie vor das weltweit wichtigste Thema ist, hat auch auf die Türkei schwerwiegende Auswirkungen. Der Nationale Aktionsplan, der 2019 ausgearbeitet wurde, war und ist in dieser Zeit ein wichtiges Instrument: Er umfasst alle Einzelheiten wie die Einschätzung der Epidemie, ihre Bekämpfung sowie Angaben zum erforderlichen Team, zur erforderlichen Ausrüstung und zur Materialverwaltung. Wir konnten beobachten, dass die nationale Gesundheitsinfrastruktur mit ihren hohen Kapazitäten die Auswirkungen der Epidemie im Land verringert hat. Die Lockerungen, die nach dem Überschreiten des kritischen Punktes eingeführt wurden, könnten das Risiko jedoch auch in der Türkei wieder erhöhen.
Die für die Pandemie ergriffenen Maßnahmen haben sich auf alle Branchen negativ ausgewirkt, und die dadurch verursachte Zurückhaltung sowie die finanziellen Schwierigkeiten werden noch eine Zeit lang andauern. Dennoch scheint es möglich zu sein, innerhalb eines Jahres zur Normalität zurückzukehren. Diese optimistische Sichtweise beruht auf unserem Vertrauen in unsere Fähigkeiten und Erfahrungen im Krisenmanagement, in unsere flexible Bevölkerung und in unseren Geist der Solidarität. Ein weiterer Grund ist – neben dem Schutz der Gesundheit – die Notwendigkeit, die Wirtschaft am Leben zu erhalten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Türkei ein Land ist, das im Umwelt- und Abfallsektor ein beträchtliches Potenzial bietet. Etwaige bestehende Probleme sind lösbar. Denn die Regierung ist offen für einen lösungsorientierten Dialog und die Akteure des Sektors sind offen für Innovationen und Chancen.
Muhammet SARAÇ, Geschäftsführer İZAYDAŞ und Vorsitzender TAYÇED – Verband für Abfall und Umweltmanagement