IFAT | Welche Impulse erwarten Sie von der im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung enthaltenen Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie?
Kurth | Wir begrüßen das klare Bekenntnis der Ampelkoalition zur Kreislaufwirtschaft im Koalitionsvertrag. Noch nie hat eine Bundesregierung der Kreislaufwirtschaft eine solch hohe Bedeutung beigemessen. Jetzt kommt es darauf an, die angekündigte „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ unter Einbeziehung der Wirtschaft zu erarbeiten und schnell auf den Weg zu bringen. Sie ist eine wichtige Voraussetzung, die ökonomischen und ökologischen Potenziale einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft umfassend zu heben.
Kreislaufwirtschaftspolitik muss immer mehr auch Produktpolitik werden. Ziel muss es sein, dass die Produktpolitik die Kreislaufwirtschaft steuert, und zwar schon am Anfang der Wertschöpfungskette und mit Hilfe klarer Anreize. Wir benötigen in Zukunft langlebige, wiederverwendbare, recycelbare und möglichst reparierbare Produkte. Deshalb brauchen wir die erweiterte Herstellerverantwortung. Es ist daher nur richtig und konsequent, dass die Koalition durch produktspezifische Mindestquoten den Einsatz von Rezyklaten und Recyclingrohstoffen forcieren möchte, nicht nur bei Verpackungen.
Weiterhin ist ein wichtiger Schritt, digitale Produktpässe einzuführen, um Recycling möglich zu machen sowie verbindliche Qualitäten für neue hochwertige Stoffkreisläufe zu gewährleisten. Nur so gelingt die Umsetzung. Und das angekündigte Recycling-Label, das der BDE seit langem fordert, wird für die notwendige Transparenz sorgen.
IFAT | Welche Auswirkungen hatte und hat die Corona-Pandemie auf die Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft?
Kurth | Auch im zweiten Corona-Jahr hat sich die deutsche Recycling- und Entsorgungswirtschaft als relativ robust erwiesen. Bei einer Mitgliederumfrage des BDE zu Jahresbeginn hat die Hälfte der befragten Firmen eine im Vergleich zum Vorjahr bessere Auftragslage vermelden können. Das sind gute Signale in einer weltweit sehr unruhigen Zeit. Die Branche hat sich insgesamt trotz aller Herausforderungen gut behaupten können. Die positiven Zahlen verschaffen den Unternehmen also eine zuversichtliche Stimmung.
Dennoch ist nicht zu verkennen, dass es auch in diesem Jahr weiterhin teilweise große Aufgaben zu bewältigen gibt. Die Bekämpfung des Fachkräfte- und Fahrermangels wird auch in 2022 ein Topthema bleiben. Im Fokus stehen außerdem die extrem hohen Energiekosten, die aktuell durch den Krieg geradezu explodieren. Wir haben zudem beobachtet, dass sich die Verschiebung der Abfallmengenströme in den privaten Bereich verstetigt hat. So hat es Zuwächse bei den Glas-, Leicht- und Kartonverpackungen gegeben. Diese Entwicklung belegt, dass sich die Lebensführung in Zeiten von Corona auf das private Umfeld konzentriert hat.
IFAT | Welche Bedeutung messen Sie der IFAT Munich 2022 bei?
Kurth | Die IFAT Munich 2022 hat alle Voraussetzungen, den Neustart unserer Umweltwirtschaft zu markieren. Es ist immerhin vier Jahre her, dass sich die Branche in München zuletzt getroffen hat. Trotz Corona ist in den Unternehmen die Zeit nicht stehengeblieben. In Brüssel wurden der Green Deal und der Kreislaufwirtschaftsaktionsplan verabschiedet. Die Kreislaufwirtschaft ist einer der stärksten Start-up-Bereiche. Neue Unternehmen sind bei der IFAT so stark vertreten wie nie. Die IFAT Munich wird 2022 daher ein Hotspot neuer Ideen und Innovationen für die Kreislaufwirtschaft. Themen wie der große Bereich der Digitalisierung, aber auch rechtliche Regelungen auf europäischer Ebene werden großen Raum einnehmen. Unser europäischer Dachverband FEAD wird im Rahmen der IFAT seinen 40. Geburtstag feiern. Außerdem haben sich viele Persönlichkeiten aus der Politik in München angekündigt.
Es wird also viel passieren. Und natürlich freuen sich die Branchenvertreter insgesamt, sich endlich einmal wieder persönlich zu begegnen, denn auch die beste Zoom-Konferenz kann den persönlichen Austausch nicht ersetzen.